Onkel ist der Beste
Skrupel. Es war gut so. Persönlich hatte er nicht einen Augenblick lang geglaubt, Dora werde Andrew heiraten, aber wenigstens hatte er ihr eine ausgezeichnete Ausrede geliefert und ihr die Peinlichkeit erspart, ihrem Verehrer weh tun zu müssen.
Was Andrew betraf, so war er nur wenig jünger als Robert selbst und hätte gefälligst nach einer Frau seines Alters Ausschau halten sollen. In seiner unverblümten Suche nach einer Frau lag etwas Abstoßendes, und das allein machte ihn Doras unwürdig.
Am nächsten Morgen, als Judy schon fort war, rief Alan an. Er schien ein wenig aufgeregt und sprach davon, daß er unerwartet zu einer Beerdigung müsse und in einer halben Stunde losfahren wolle. Ob Judy etwa zufällig zu Hause sei? Wenn nicht, werde er sofort nach seiner Rückkehr zu ihnen kommen.
Als Dora dies alles später vor Judy wiederholte, hellte sich die Miene des Mädchens kurz auf, und sie sagte: »Dann hat er also unsere Existenz nicht ganz vergessen. Möchte wissen, wer gestorben ist. Hoffentlich niemand, der ihm nahesteht.«
Sie wurden darüber nicht lange im unklaren gelassen. Am Abend erschien Elsa Wards Wagen in der Auffahrt, und Terry ließ ein Stöhnen vernehmen.
»Ein Fluch hat sich auf uns gesenkt. Da kommt sie voller Saft und Kraft — überzeugt von der eigenen Wichtigkeit.«
Mrs. Ward hatte lauter Neuigkeiten auf Lager, und es dauerte nicht lange, da war die Geschichte heraus. Kaum hatte sie sich zum Abendessen hingesetzt, als sie loslegte: »In eurem Dorfladen summt es vor Aufregung. Aber ihr habt natürlich sicher schon davon gehört. Meine Glückwünsche, Judy, daß du so weitblickend warst, einen jungen Mann zu erwählen, der ein Vermögen in Aussicht hat.«
Sie starrten Elsa in verblüfftem Schweigen an. Entzückt über die Sensation fuhr sie fort: »Na ja, ein Vermögen ist vielleicht übertrieben, aber sechstausend Pfund würden mir auch genügen.«
»Und wer hat die sechstausend Pfund?« fragte Judy gelassen, doch Robert fiel auf, daß sie errötete.
Elsa lachte. »Liebling, du bist viel zu schüchtern. Dein junger Mann natürlich, der Farmer, den ich hier schon öfter angetroffen habe — Alan Winter.«
Dora warf hastig ein: »Wirklich, ihr Journalisten hört doch das Gras wachsen. Für uns ist das eine Neuigkeit.«
»Neuigkeit? Das klingt mehr nach Klatsch«, sagte Judy unhöflich. »Übrigens sind Sie völlig falsch informiert, Mrs. Ward, weil Alan Winter nicht mein junger Mann ist.«
»Ja, dann würde ich mich beeilen und zusehen, daß ich ihn mir sichere, ehe ihn eine andere samt seinem netten kleinen Erbteil wegschnappt. Ja, ich habe das alles im Laden erfahren. Eine Tante oder Patin von Alan ist plötzlich gestorben, und er hat die Überraschung seines Lebens erlebt. Sechstausend Pfund, nicht weniger.«
Judy sagte überhaupt nichts. Robert fragte: »Ich habe immer gehört, daß die Läden auf dem Land wahre Nachrichtenbüros sind. Ich könnte mir denken, daß der junge Mann ein Telegramm bekommen und der Ladeninhaber wenig Respekt vor dem Briefgeheimnis bewiesen hat.«
»Aber gar nicht. Ja, es war ein Telegramm. Alle scheinen hocherfreut. Und wie beliebt du bist, Judy! Alle sagen, du verdienst ein solches Glück, und das Geld werde gerade reichen, um die Farm zu retten.«
Terry, Dora und Robert fingen gleichzeitig zu sprechen an, um die Aufmerksamkeit von Judy abzulenken, deren Gesicht blaß geworden war. Ihre Augen schienen Flammen zu sprühen. Aber sie ignorierte alle anderen und sagte mit ihrer klaren Stimme: »Tut mir leid, daß ich Sie enttäuschen muß und alle anderen auch. Ich bin mit Alan Winter nicht verlobt, und sein Geld wird nicht für diese Farm verwendet. Ich komme auch ohne ihn gut zurecht. Terry, möchtest du noch Spinat?«
Obwohl Spinat ein Gemüse war, das er besonders ungern aß, nahm sich Terry eilig eine Portion. Man wechselte das Thema, und alle waren froh, als das Essen endlich vorbei war.
In der Küche sagte Terry: »Schade, daß Elsa als erste damit aufgekreuzt ist. Natürlich wird Alan vor Mitteilungsbedürfnis fast platzen — deswegen hat er uns doch angerufen.«
»Warum sollte er es uns sagen?« fragte Judy kalt.
»Zeig doch ein bißchen Herz, Mädchen. Es ist ja nicht seine Schuld, daß die Leute Unsinn reden!«
»Ach, halt doch die Klappe! Mich kümmert weder Alan noch sein Geld, aber ich könnte diese Klatschbasen glatt umbringen. Als ob ich ein Auge auf ihn oder die verdammte Erbschaft geworfen hätte!«
»Deine Sprache, Judy,
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