Onkel Robinson
freudig empfangen!« So sprach der Seemann unaufhörlich dahin, und die ganze Familie schöpfte daraus Mut und Hoffnung. Der Regen hielt bis zur Nacht hin an, und es war unmöglich, sich hinauszuwagen. Jeder ging in der Grotte irgendeiner Beschäftigung nach. Onkel Robinson vervollständigte mit der Säge an Harry Cliftons Messer die Reihe seiner Bambusvasen! Er stellte sogar flache Teller her, so daß sie auf die bis dahin benutzten Muscheln verzichten konnten. Auch sein eigenes Messer reparierte er wieder, das heißt, er wetzte zumindest die restliche Klinge so lange an einem Kieselstein rund, bis er sie wieder benutzten konnte. Auch die Kinder waren nicht untätig. Sie richteten Kokosnüsse und Pinienkerne her und gossen vergorene Milch in Flaschenkürbisse, wo sie sich durch Gärung in ein alkolholisches Getränk verwandeln sollte. Robert reinigte die durch das Salzwasser stark verrostete Pistole seines Vaters, von der er sich viel zu versprechen schien. Mrs. Clifton wusch die Kleider ihrer Kinder.
Am folgenden Morgen – es war Samstag, der 3. Mai – hatte sich der Himmel aufgeheitert und verhieß einen herrlichen Tag. Der Wind hatte in Richtung Nordost gedreht, und über der Küste lag strahlender Sonnenschein. Der Onkel hatte nun nicht mehr die Spur eines Vorwands, um kein Feuer zu machen. Zudem hatte Harry Clifton es nun eilig, einmal hinauszukommen und die Umgegend des Lagers zu inspizieren. Er wollte in den Sonnenstrahlen baden und sie um völlige Genesung ersuchen. Also bat er den Onkel um seinen Arm. Der Onkel hatte keinen plausiblen Grund, sich diesem Ansinnen zu widersetzen, und fügte sich daher. Er hielt dem Ingenieur den Arm hin und verließ mit ihm die Grotte wie ein zum Tode Verurteilter auf dem Weg zum Schafott.
Zuallererst tat Harry Clifton einen befriedigten Seufzer. Er atmete die frische, belebende Luft ein wie ein Stärkungsmittel. So etwas »wohltuend Warmes« habe er noch nie zu sich genommen, sagte er. Er blickte auf das blitzende Meer, ging zum Ufer hinunter, sah auf die Insel, den engen Kanal, die gewundene Küste und die offene Reede. Dann drehte er sich um und erblickte die Felswand im Vordergrund, die üppiggrüne Baumreihe, die wuchernde Wiese, den blau glänzenden, von dichtem Wald eingerahmten See und den alles überragenden Bergesgipfel. Der Anblick dieser schönen Natur gefiel ihm; die reizende Landschaft erschien ihm verheißungsvoll, und in seinem Ingenieurgehirn keimten schon zwanzig Pläne auf, die er unverzüglich in Angriff nehmen wollte.
Mal auf den Arm seiner Frau gestützt, mal auf den Onkel Robinsons, ging Harry Clifton zur Grotte zurück. Er besah sich die Felswand und gelangte schließlich zu der Stelle, an der der geschwärzte Stein daraufhin deutete, daß dort das Feuer gebrannt hatte.
»Hier war das Feuer?« sagte er. »Ja, ich verstehe, daß es bei den Wirbeln, die an diese Felswand fegen, leicht ausgeht. Wir werden schon noch etwas Besseres finden, aber begnügen wir uns vorläufig mit dieser Stelle hier. Los, Kinder! Marc, Robert, ein paar Armvoll trockenes Holz! An Brennmaterial mangelt es ja nicht. Machen wir ein tüchtig flackerndes Feuer.«
Bei diesen Worten des Vaters blickten sich alle wortlos an. Der Onkel sah schuldbewußt zu Boden.
»Nun, Kinder?« sagte Harry Clifton. »Habt ihr gehört?«
Jemand mußte es ihm sagen. Mrs. Clifton fühlte, daß das ihre Aufgabe war.
»Lieber Mann«, sagte sie und nahm ihn bei der Hand, »ich muß dir etwas gestehen.«
»Was denn, meine Elise?«
»Harry«, antwortete Mrs. Clifton in ernstem Ton, »wir haben kein Feuer.« »Kein Feuer!« rief Clifton.
»Und auch keine Möglichkeit, eines anzuzünden!«
Ohne auch nur ein Wort zu sagen, setzte Harry Clifton sich auf einen Felsen. Da erzählte Mrs. Clifton ihm alles, was sich seit ihrer Landung ereignet hatte: die Geschichte mit dem Streichholz; wie sie das Feuer in die Grotte transportiert hatten und unter welchen Umständen es schließlich trotz größtmöglicher Vorsicht bei einem Wolkenbruch ausgegangen war. Ihren Sohn Marc erwähnte die Mutter dabei nicht, doch dieser trat auf Harry Clifton zu und sprach: »Und passiert ist das Unglück, während ich Wache hatte.«
Clifton ergriff Marcs Hand, zog den Jungen zu sich und drückte ihn an die Brust.
Ja, habt ihr denn nicht einmal ein kleines Stückchen Zunder?« fragte er.
»Nein, mein Teuerster!« antwortete Mrs. Clifton.
Da ergriff der Onkel das Wort. »Es ist aber noch nicht alle Hoffnung verloren!«
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