Onkel Schwein (German Edition)
Verletzung.
„Meine Großmutter hatte in dem kleinen Haus hier im Wald gelebt. In den Ferien war ich immer zu Besuch. Damals wohnten auf den Höfen rundherum noch viele Kinder. Heute leben dort nur noch ein paar Alte. Oder die Häuser sind als Ferienhäuser an Dänen und Deutsche verkauft worden.“
Teever nickte. Er hatte gerade im Radio eine Diskussion zu dem Thema verfolgt. Er selbst war sich auch nicht sicher, ob er die Entwicklung gutheißen sollte, auch wenn er selbst von den Touristen lebte. Die alte ländliche Lebensweise verschwand zusehends, doch andererseits blieben zumindest die schönen alten Gebäude erhalten, da die neuen Besitzer sie instand setzten und erhielten. Es war wie so oft im Leben: Zumindest als Fassade wurde die alte bäuerliche Kultur bewahrt.
„Folke war immer schon ein Kauz. Keiner mochte ihn. Manchmal hatten wir sogar Angst. Wenn wir ihn mit seiner Mistforke aus dem Schweinestall kommen sahen, rannten wir.“ Sie fing leise an zusingen: „Onkel Schwein, Onkel Schwein, du fängst uns ganz bestimmt nicht ein.“
Teever blickte sie überrascht an. „Hat er euch etwas getan?“
„Nein“, antwortete Liza, „nur böse geguckt und mit der Forke gewedelt.“ Sie imitierte den Bauern mit der rechten Hand.
Teever nahm doppelt Zucker in den Kaffee, damit er überhaupt nach etwas schmeckte. Blümchenkaffee. So schwach wie der seiner Tante, bei dem man die Blumen auf dem Tassenboden durchscheinen sehen konnte. Liza war zwar attraktiv und mochte auch intelligent sein, Kaffee kochen schien jedoch keines ihrer Talente zu sein. Oder war es Tee?
„Zuletzt hatte er aber keine Tiere mehr?“ fragte Teever.
Sie schüttelte den Kopf. Ihr Pferdeschwanz wippte hin und her. So wie Hundebesitzer ihren Lieblingen immer ähnlicher wurden, hatten Frauen, die etwas mit Pferden zu tun hatten, immer den typischen Pferdeschwanz, ging es Teever durch den Kopf. Er selbst hatte Pferden nie etwas abgewinnen können. Vielleicht lag es daran, dass er als Junge einmal von einem Pony abgeworfen worden war. Das Gelächter der Mitschüler hatte er nie vergessen, obwohl ihn keine Schuld für den nicht festgezurrten Sattelriemen getroffen hatte.
Sie zeigte aus dem Fenster. „Da hinten, der Braune, den habe ich ihm abgekauft. Folke hat das Tier gequält. Kaum Futter, wenig Auslauf. Es hatte sogar Narben. Ständig hatte ich ihn gebeten, es besser zu behandeln. Es guckte immer so traurig aus einem Stallfenster und wackelte mit dem Kopf.“
Sie imitierte gekonnt ein hospitalisierendes Pferd.
„Warum er es behalten hat, habe ich bis heute nicht verstanden. Er ist nie mit ihm geritten.“
„Aber dann hat er ihn verkauft?“
„Eigentlich hätte er froh sein können, dass ich ihn ihm abgenommen habe. Stattdessen musste ich eine gehörige Summe hinblättern. Und dann hatte er auch noch eine Nackenbandverkalkung. Die Behandlung kostet mich dieselbe Summe noch mal.“
„Schlimme Sache, so eine Nackenbandverkalkung“, bemerkte Teever.
Sie schmunzelte. Teever gefiel, wenn sie lachte.
„Eine Verkalkung der Genickschleimbeutel“, erklärte sie.
„Aha.“
„Entsteht wahrscheinlich durch Mikrotraumen aufgrund zu enger Schiaufzügel.”
Teever hob die Hände in einer Geste der Aufgabe.
„Wie auch immer. Das hatte er mir verschwiegen.“
„Konntest du nicht dein Geld zurückverlangen? Oder das Pferd zurückgeben?“
„An diesen Tierquäler? Pah. Der hätte wahrscheinlich sein Jagdgewehr genommen - und peng.“ Sie imitierte einen Schuss.
„Ich hatte ja noch Glück. Ein Freund von meinem Freund ist Tierarzt. Ich bekam Rabatt.“
War ja klar, dass sie einen Freund hat, dachte Teever. Während er einen imaginären Fleck von der Hose wischt, ging ihm ein Satz durch den Kopf, den er irgendwo gehört und auf sich bezogen hatte: Du verliebst dich in Unerreichbares, um dich vor Entscheidungen zu drücken.
Manchmal hatte er das Gefühl, Frauen schon gar nicht mehr normal begegnen zu können. Er ertappte sich immer öfter dabei, jedes weibliche Wesen zwischen zwanzig und vierzig interessant zu finden und anhand einer geistigen Checkliste auf Eignung als Freundin zu überprüfen. In seiner Fantasie stellte er sich schon ein zukünftiges Leben vor, ehe er überhaupt mehr als zwei Sätze mit der Frau gesprochen hatte. Wie sie mit ihm im Haus leben würde, ob sie Kinder bekommen würden, gemeinsame Arbeit im Kanuverleih, Sex, na klar.
Und Liza war mehr als halbwegs interessant. Vielleicht ein wenig zu groß. Er war
Weitere Kostenlose Bücher