Onkel Schwein (German Edition)
sich nicht sicher, ob er mit einer Frau zusammen sein konnte, die ihn um einige Zentimeter überragte. Das war in einer aufgeklärten Zeit zwar lächerlich; gegen den Gedanken konnte er aber nichts tun.
Genauso wenig, wie er auch nur ganz schlecht zwischen bloßer Freundlichkeit und tiefer gehender Zuneigung zu unterscheiden vermochte. Die heute immer stärker um sich greifende Sitte des Wangenkusses auch unter entfernten Bekannten brachte ihn gelegentlich sehr durcheinander. Ein Kuss war für ihn etwas Intimes. Hatte eine Bedeutung. Jedenfalls eine größere Bedeutung als „Hallo“ zu sagen. Im Hereindeuten von Dingen war er ganz groß.
Irgendwas fehlte ihm, das war offensichtlich. Der Traum mit Helgi als Hauptperson war ein weiteres Indiz.
Liza bot ihm fröhlich eine weitere Tasse Kaffee an. Er konnte erkennen, dass ihr makelloses Lächeln unter Mitwirkung eines Zahnarztes entstanden war.
Er lehnte dankend ab und zeigte auf seinen Magen.
„Eine Tasse reicht“, schwindelte er. „Du kennst sicher auch Frau Waldén?“
„Selma? Klar. Eine ganz Liebe.“ Sie zeigte auf eine kleine Stickerei in einem verglasten Bilderrahmen über einer kleinen Kommode.
„Das hat sie gestickt und mir geschenkt. Genau wie die da.“ Sie wies mit dem Fuß auf zwei Topflappen, die über die Halterung eines Kaminbestecks gelegt waren. Beide waren bräunlich verfärbt und schienen dem Feuer mehrfach zu nahe gekommen zu sein.
„Leider hatte sie immer schon gesundheitliche Probleme. Sie ist so zart und klein. Selma hat uns Kindern immer Schokolade gegeben, wenn Folke nicht da war. Später hat sie dann oft den Herbst und den Winter irgendwo in Spanien verbracht. Marbella, Mallorca, Menorca? Ich weiß es nicht mehr.“ Sie schwieg einen kurzen Moment. „Ich habe mich schon gewundert, dass sie noch nicht gekommen ist.“
„Womöglich weiß sie noch gar nicht, dass ihr Mann tot ist. Die Polizei kann sie wohl nicht finden. Hatten Waldéns in Spanien ein Haus oder eine Wohnung?“
Liza zuckte mit den Schultern.
„Haben die beiden sich gut verstanden?“
„Wie so ein Ehepaar sich nach vielen Jahren so versteht, glaube ich.“
Sie schien bezüglich der Institution Ehe keine großen Erwartungen zu hegen.
Und sie zögerte unmerklich.
Teever schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln.
„Man soll ja nicht schlecht über Tote reden“, sagte sie und Teever dachte, dass Frau Berg fast genau dasselbe gesagt hatte. Und dass es immer die Einleitung dazu war, genau das zu tun und das meistens zu Recht.
„Waldén ist ermordet worden. Wenn es hilft, seinen Mörder zu finden, ist es in Ordnung.“
Sie sah ihn zweifelnd an, sagte aber:
„Hast du das Haus auf der anderen Straßenseite gesehen, kurz vor der Kurve? Bevor mein Hof in Sicht kommt?“
Teever war sich nicht sicher.
„Verfallende Veranda, bemoostes Dach?“
Sie nickte. „Genau. Das Haus steht noch gar nicht so lange leer. Es ist erstaunlich, wie schnell es verfällt, seit niemand mehr darin wohnt.“ Sie räusperte sich. „Die Besitzerin ist zu Verwandten nach Norwegen gezogen. Gurli hieß sie.“
In Liza schien die Erwähnung des Namens Erinnerungen auszulösen. Teever hatte plötzlich das Gefühl, als ob sie ihn gar nicht mehr wahrnehmen würde.
Nach einer Weile sagte sie: „Komisch. Wir haben uns ganz gut verstanden und oft gemeinsam Kaffee getrunken oder über Pferde gesprochen. Bestimmt einmal pro Tag, wenn ich hier war. Sie war eine gute Reiterin. Doch dann ist sie weggegangen und wir haben völlig den Kontakt verloren. Kein Anruf, keine Post. Merkwürdig, oder? Auch ein wenig enttäuschend.“
Teever wusste nicht, was er sagen sollte. Zum Thema „Wie pflege ich Freundschaften“ war er der falsche Ratgeber.
Stattdessen sah er Liza fragend an, wartete auf das Schlechte über Waldén.
„Ich habe sogar ein Foto von ihr“, fuhr Liza fort, erhob sich und kam kurz darauf mit einem Bild in einem roten Rahmen wieder.
Teever bemerkte, wie sie mit dem Finger den Staub abwischte.
„Hier, wir beide auf der Koppel.“
Teever sah Liza in Reitstiefeln und Karohemd. Daneben eine zierliche Frau in einem geblümten Kleid, etwas älter als Liza. Sie erinnerte Teever schwach an Eva Axelsson.
„Eine Zeit lang hat Folke ihr den Hof gemacht.“
Teever begriff den altertümlichen Ausdruck Lizas nicht sofort und dachte, er hätte ihr mit dem Haus geholfen. Reparaturen und so. Rasenmähen. Schneeschieben.
„Das war schon dreist. Keine zwei Kilometer weiter sitzt die Frau
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