Onkel Schwein (German Edition)
Stromlieferanten war es egal, ob sein Kunde tot war. Über dem Kühlschrank hing ein Kalender. Juni, ein Sonnenuntergang hinter Palmen.
Im Kühlschrank schrumpelte etwas Obst vor sich hin. Er sah völlig überlagerte Wurst und Käse, den man nur noch entsorgen konnte. In der Tür standen drei Dosen Bier und eine Flasche Coca Cola. Im Eisfach lag eine Flasche Ouzo.
Auch wenn die Einrichtung alt und das Geschirr abgestoßen waren, vermittelte die Küche mehr Gemütlichkeit als der Rest des Hauses. Hier schien Frau Waldén das Sagen zu haben. Oder gehabt zu haben.
Von der Küche ging es in eine kleine Eingangshalle. Wäre er von außen gekommen, hätte er sich wahrscheinlich vor der lebensgroßen Schaufensterpuppe erschreckt, die dort in einer Polizistenuniform stand. Teever konnte sich beim besten Willen nicht erklären, warum das Ehepaar Waldén die Figur dort aufgestellt hatte. Sie passte überhaupt nicht in das Bild eines langweiligen, etwas spießigen Haushaltes.
Teever ging zurück ins Wohnzimmer. Er setzte sich auf den Stuhl vor dem Schreibtisch und dachte nach. Irgendetwas fehlte. Zunächst kam er nicht darauf, doch dann fiel ihm auf, dass er keine Ordner gefunden hatte. Irgendwo musste Waldén doch seine Rechnungen ablegen. Strom, Müllabfuhr, Telefon. Und was war mit der Rente? Den Steuern? Versicherungen. Teever dachte mit Grauen an seine eigene Buchführung und die tägliche Post mit irgendwelchen Schriftstücken und den unzähligen Rechnungen. Wo hatte Waldén die aufbewahrt? Teever dachte an die Fotos und die Geweihe. Ein Ordnungsfanatiker wie Waldén würde Belege irgendwo akribisch verwahren, da war sich Teever sicher. Nur wo? Und was war eigentlich mit der Post? Der Briefkasten müsste doch inzwischen überquellen.
Vielleicht hatte Waldén noch weitere Räume in den ehemaligen Stallungen ausgebaut, dachte Teever. Er überlegte, ob es zu riskant wäre, auch dorthin zu gehen. Wenn ihn jemand sehen würde, wäre seine Detektivkarriere schneller beendet, als sie angefangen hätte. Doch die Neugier siegte. Hier im Haus würde er heute doch nichts mehr finden. Er war sich nicht sicher, was er erwartet hatte oder ob der Besuch ein Fehlschlag gewesen war. Aber zumindest hatte er einen Eindruck.
Teever sah vorsichtig aus dem Fenster in der Eingangstür. Auf dem Boden standen ausgetretene Halbschuhe und altmodische Pantoffeinmit einem braunen Karomuster. Die Luft schien rein zu sein. Neben der Tür hingen an einem Schlüsselbord mehrere Schlüssel mit bunten Plastikschildern. Teever lobte die Pedanterie Waldéns. Mit Bleistift in feiner, stark nach rechts geneigter Schrift standen Hinweise geschrieben wie Keller, Brunnen, Hühner, Garage, Fahrrad. Manche Schilder trugen Abkürzungen wie A.D. oder PQ, mit denen Teever nichts anfangen konnte. Einer mit der Aufschrift CÄCI fiel ihm klirrend herab. Auf einem Schlüssel mit einem gelben Schild stand „Kuhstall, rechts“.
Teever nahm die drei vielversprechendsten Schlüssel und ging zum großen Gebäude gegenüber. Der Rest eines Absperrbandes der Polizei hing an einem Busch und schlängelte sich über den Boden.
Der Schlüssel drehte sich problemlos im Schloss. Er war überrascht, wie viel Licht durch die Fenster hereinkam. Links befanden sich die ehemaligen Standplätze längst verzehrter oder aus anderen Gründen geschlachteter Kühe. Auf Tafeln konnte er noch ganz schwach den Namen und das Geburtsdatum einzelner Tiere lesen. Trine, 12.05.1975. Hera, 27.06.1972. Eine andere Kuh war am selben Tag wie Teever geboren. Und wahrscheinlich längst im Kuhhimmel. Er fragte sich, wie alt Kühe eigentlich werden.
Schnell fand er den Platz, an dem Waldén verblutet war. Die Lache war zwar verblasst, aber noch gut zu erkennen. Der Haken, an dem er gehangen hatte, war ziemlich hoch. Der Täter musste groß, kräftig oder geschickt gewesen sein. Oder alles zusammen. Er machte ein paar Schritte zurück. Von wo mochte der Mörder geschossen haben? Teever nahm eine kleine Taschenlampe, die sich an seinem Schlüsselbund befand und leuchtete an der Wand entlang. „Was haben wir denn da“, sagte er zu sich selbst. Ein einzelner Eierbecher war in eine Mauerritze gerollt.
Durch eine schwere Holztür betrat Teever einen weiteren Teil des Stallgebäudes. Hier waren die Schweine in vier hölzernen und nun leeren Boxen untergebracht gewesen. Alles war besenrein. Ein Büro konnte er allerdings nicht finden.
Teever verließ den Stall und ging, nachdem er sich mehrfach
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