Onkel Schwein (German Edition)
Hochkommen den Kopf an der hervorstehenden Schublade. Mit dem Finger tastete er die Stelle ab. Es fühlte sich klebrig an. Auch das noch, sagte er und ging in das Badezimmer.
In einem blinden Spiegel versuchte er zu erkennen, ob die Wunde tief war, aber sie nicht der Rede wert. Wäre auf der Toilettenpapierrolle Papier gewesen, hätte er sich das Blut abgetupft. So drehte Teever den matten, angelaufenen Wasserhahn auf, spülte seine Hände, berührte vorsichtig die schmerzende Stelle und spülte das Blut ab. Er dachte an einen Onkel, der Bluter gewesen war und für den jede Wunde lebensgefährliche Folgen gehabt hatte. Teever sah sich um: Hier bestand eher die Gefahr einer Sepsis, als die des Verblutens. Er blickte erneut in den Spiegel und stellte erschreckt fest, dass sein Haaransatz wieder einige Millimeter zurückgewichen war. Er konnte sein Altern am Abstand zwischen den Haaren und einem Leberfleck an der Stirn ablesen. Teever betastete seinen Hinterkopf und fühlte Haar. Wenigstens schien sich noch keine Platte zu bilden.
In der kalkigen Duschkabine standen erstaunlich viele unterschiedliche Shampoos und Duschmittel. Kent benutzte die gleichen Markenwie Teever, und entweder war er ein reinlicher Mensch, zumindest was seinen Körper anging, oder er hatte prima Beziehungen in die Kosmetikabteilung eines Supermarktes. Vielleicht klaute er aber auch in den Duschräumen der Badeanstalt. Der Duschvorhang war spakig und hing nur noch an drei von acht möglichen Plastikringen.
Die Küche lag gegenüber dem Badezimmer. Es war eher ein Schlauch mit einem kleinen Fenster am Ende. Um hinauszusehen, musste sich Teever auf die Zehenspitzen stellen. In der Spüle standen schmutzige Teller. Wenn Pia tatsächlich hier wohnte, aß sie nichts oder spülte nicht ab. Die Speisereste waren ein paar Wochen alt und wirkten versteinert.
An der Wand gegenüber der Küchenzeile hingen über einer ICATüte mit leeren Bierdosen ein riesiges Poster von einem Bodybuilder-Paar und ein paar weitere Fotos derselben Art, die offensichtlich ungeschickt aus einer Zeitung gerissen worden waren. Auch wenn sie nicht seinem Schönheitsideal entsprachen, betrachtete er die unglaublichen Muskeln der Frau doch mit Faszination. Überall traten die Adern hervor. Ihr Gesicht war kantig und maskulin. Verblüffend waren ihre Brüste in einem roten Bikini: Oft hatten Bodybuilderinnen nur noch Hautlappen, doch die Frau auf dem Poster schien chirurgisch nachgeholfen zu haben: Ihr wie mit dem Zirkel gezogener Busen erinnerte Teever an einen Pudding mit einer Kirsche oben drauf, den er kürzlich in einer Werbung gesehen hatte. Er fragte sich, was es über Kent aussagte, wenn er sich täglich mit diesen Körpern konfrontierte. Kräftig war er selbst nicht gerade. Teever seufzte leise. In der Küche überkam ihn dasselbe trostlose Gefühl wie im Haus Waldéns.
Er setzte sich wieder an den Schreibtisch und schob die leere Schublade zu. Ein paar Kugelschreiber lagen verstreut herum, daneben ein kleiner Taschenrechner mit schmutzigen grauen Tasten. Die 7 fehlte. Von einem Block mit Haftzetteln war ein Blatt abgerissen und klebte daneben auf der Platte: Eine Telefonnummer stand darauf und das Wort Stempel. Teever blickte sich um, konnte aber kein Telefon entdecken.
An der linken hinteren Ecke des Schreibtisches lagen ein Stapel mit Zetteln und Zeitschriften. Ein Buch von Bengt Bengtson. Das hatte er doch bei Waldén gesehen? Er konnte sich an den Titel nicht erinnern, doch das Bild kam ihm bekannt vor. Ein würfelartiger Raum mit einem schemenhaften nackten Paar darin. Das Buch schien mächtig „in“ zu sein.
Auf dem Haufen thronte eine leere Bierflasche, die einen schmutzigen, geriffelten Rand auf dem obersten Blatt, einem Werbezettelfür ein Nahrungsergänzungsmittel mit einem abstoßenden chemischen Namen, hinterlassen hatte. Teever ging den Haufen durch: Rechnungen, weitere Werbezettel, eine Bodybuilding-Zeitung, eine Zeitschrift für Computer-Freaks, das langweiligste, was Teever sich vorstellen konnte, dann ein paar leere weiße Bögen und zwei Ausdrucke aus Ebay. Kent war an Uhren interessiert. Wieder sah Teever suchend in den Raum. Hatte der Junge überhaupt einen PC? Bevor er ging, schloss Teever sorgsam das Fenster. Wenn er nicht bald etwas Greifbares finden würde, konnte es etwas dauern, bis Kent in seine Wohnung zurückkehren würde. Aber wahrscheinlich würde Pia bald wieder hier auftauchen.
Erst jetzt merkte Teever, dass er die ganze Zeit seine
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