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Onkel Wolfram - Erinnerungen

Onkel Wolfram - Erinnerungen

Titel: Onkel Wolfram - Erinnerungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Sacks
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an, die wie Elmsfeuer aussahen. Mit dem ausströmenden «elektrischen Wind» konnte man Kerzen ausblasen oder eine kleine Windmühle antreiben. Mit Hilfe eines Isolierhockers - eines Holzbretts, das auf vier Wassergläsern stand - konnte ich meine Brüder so elektrisieren, dass ihnen die Haare zu Berge standen. Diese Experimente zeigten die Abstoßungskraft gleicher elektrischer Ladungen; jeder Faden der Quaste, jedes Haar bezog die gleiche Ladung (während meine ersten Experimente mit geriebenem Bernstein und kleinen Papierschnipseln die Anziehungskraft elektrisch geladener Körper unter Beweis gestellt hatten). Entgegengesetzte Ladungen ziehen sich an, gleiche stoßen sich ab.
    Ich fragte mich, ob sich die statische Elektrizität der Wimshurstmaschine nutzen ließe, um eine von Onkel Daves Glühlampen zum Leuchten zu bringen. Onkel sagte nichts, aber gab mir einige sehr dünne Silber- und Golddrähte, nur einen hundertstel Zentimeter dick. Als ich die Messingkugeln der Wimshurstmaschine mit einem acht Zentimeter langen Silberdraht verband, der sich auf einer Pappunterlage befand, explodierte der Draht, sobald ich an der Kurbel drehte, und hinterließ ein eigenartiges Muster auf der Pappe. Der Golddraht, mit dem ich das Experiment wiederholte, verwandelte sich augenblicklich in roten Dampf, gasförmiges Gold. Diese Experimente brachten mich zu der Überzeugung, dass Reibungselektrizität von enormer Wirkung sein konnte - aber zu ungestüm, zu ungezügelt war, um von großem Nutzen zu sein.
    Für Davy bedeutete elektrochemische Anziehung die Anziehung von Gegensätzen - beispielsweise die Anziehung, die ein stark «positives» Metallion, ein Kation wie das des Natriums, auf ein stark «negatives» Ion, ein Anion wie das des Chlors, ausübte. Doch die meisten Elemente, so dachte er, müssten auf einer kontinuierlichen Skala zwischen dem Extrem der Elektropositivität oder -negativität liegen. Der Grad der Elektropositivität von Metallen richte sich nach ihrer chemischen Reaktivität, also ihrer Fähigkeit, weniger positive Elemente zu reduzieren oder zu ersetzen.
    Diese Art des Austauschs war schon von den Alchimisten zur Herstellung von metallischen Überzügen oder «Bäumen» verwendet worden - allerdings ohne die geringste Vorstellung von den wahren Mechanismen. Solche Bäume wurden hergestellt, indem man einen, sagen wir, Zinkstab in die Lösung eines anderen Metallsalzes (beispielsweise eines Silbersalzes) legte. Das führte zum Austausch des Silbers durch das Zink, woraufhin metallisches Silber aus der Lösung als glänzendes, fast fraktales, baumartiges Gewächs ausgefällt wurde. (Die Alchimisten hatten diesen Bäumen mythische Namen gegeben, so hieß der Silberbaum Arbor Dianae, der Bleibaum Arbor Saturni und der Zinnbaum Arbor Jovis). [34]
    Anfangs hatte ich gehofft, solche Bäume aus allen metallischen Elementen machen zu können - Bäume aus Eisen und Kobalt, aus Wismut und Nickel, aus Gold, Platin und den Platinmetallen; aus Chrom und Molybdän und (natürlich!) Wolfram. Doch verschiedene Überlegungen (nicht zuletzt die exorbitanten Kosten der Edelmetallsalze) brachten mich dazu, mich mit etwa einem Dutzend unedler Metalle zufrieden zu geben. Und das rein ästhetische Vergnügen an ihnen - keine zwei Bäume sahen gleich aus, waren sie doch, selbst wenn es sich um das gleiche Metall handelte, so verschieden wie Schneeflocken oder Eiskristalle, während verschiedene Metalle, wie deutlich zu erkennen war, auf verschiedene Weise abgelagert wurden - wich rasch einer systematischeren Untersuchung. Wann veranlasste ein Metall die Ablagerung eines anderen? Und warum? Ich nahm einen Zinkstab, legte ihn zunächst in eine Kupfersulfatlösung und erhielt eine prächtige Ablagerung, eine Kupferplattierung rund um ihn herum. Dann experimentierte ich mit Zinnsalzen, Bleisalzen und Silbersalzen, indem ich einen Zinkstab in die betreffenden Lösungen tauchte, woraufhin ich glänzende kristalline Bäume aus Zinn, Blei und Silber erhielt. Doch als ich versuchte, einen Zinkbaum herzustellen, indem ich einen Kupferstab in eine Zinksulfatlösung tauchte, geschah gar nichts. Das Zink war offenkundig das aktivere Metall, es konnte zwar das Kupfer ersetzen, aber nicht von diesem ersetzt werden. Um einen Zinkbaum herzustellen, musste man ein Metall verwenden, das noch aktiver war als Zink - sehr gut eignete sich, wie ich feststellte, ein Magnesiumstab. Offenbar bildeten alle diese Metalle eine Art Reihe.
    Davy selbst machte

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