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Onkel Wolfram - Erinnerungen

Onkel Wolfram - Erinnerungen

Titel: Onkel Wolfram - Erinnerungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Sacks
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den bahnbrechenden Vorschlag, die Kupferböden von Schiffen vor der Korrosion in Meerwasser durch elektrochemischen Austausch zu schützen, indem man Platten mit elektropositiveren Metallen (etwa Eisen oder Zink) anbrachte, sodass stattdessen diese korrodierten - der so genannte kathodische Schutz. ( Zwar schien er unter Laborbedingungen gut zu funktionieren, er versagte jedoch im Meer, weil die neuen Metallplatten Muscheln anzogen. So machte man sich über Davys Vorschlag lustig. Doch das Prinzip des kathodischen Schutzes war außerordentlich scharfsinnig. Nach Davys Tod wurde er zu einer Standardmethode bei Ozeanschiffen.)
    Als ich von Davy und seinen Experimenten las, fühlte ich mich zu einer Reihe anderer elektrochemischer Versuche angeregt: Ich legte einen Eisennagel in Wasser und band ein Stück Zink daran, um ihn vor Korrosion zu schützen. Ich säuberte die angelaufenen Silberlöffel meiner Mutter, indem ich sie in eine Aluminiumschüssel mit einer warmen Lösung von Natriumcarbonat legte. Sie zeigte sich über das Resultat so erfreut, dass ich beschloss, einen Schritt weiter zu gehen und mich an der Elektroplattierung zu versuchen, wobei ich Chrom als Anode und eine Vielzahl von Haushaltsgegenständen als Kathode verwendete. Ich plattierte alles mit Chrom, was ich in die Hände bekam - Eisennägel, Kupferstücke, Scheren und (diesmal sehr zum Ärger meiner Mutter) einen der Silberlöffel, die ich zuvor von ihrem Belag befreit hatte.
    Zunächst bemerkte ich den Zusammenhang zwischen diesen Experimenten und den Batterien, mit denen ich zur gleichen Zeit spielte, nicht, obwohl ich es schon für einen seltsamen Zufall hielt, dass die ersten beiden Metalle, die ich benutzte, Zink und Kupfer, entweder einen Baum oder, in einer Batterie, einen elektrischen Strom erzeugen konnten. Ich glaube, erst als ich las, dass man in Batterien Edelmetalle wie Silber und Platin verwendete, um eine höhere Spannung zu erzeugen, wurde mir klar: die beiden Reihen, die «Baum»-Reihe und die Reihe von Volta-Elementen - waren wahrscheinlich identisch. Chemische Aktivität und elektrisches Potential wären einfach verschiedene Seiten desselben Phänomens.
    Wir hatten eine große, altmodische Batterie, ein Nasselement, in der Küche. Sie war an eine elektrische Klingel angeschlössen. Die Klingel erschien mir zunächst zu kompliziert, um sie zu verstehen, und ohnehin wirkte die Batterie viel verlockender, denn sie bestand aus einer Keramikröhre mit einem massiven glänzenden Kupferzylinder in der Mitte, in eine bläuliche Flüssigkeit eingetaucht. Das Ganze wurde von einem Glasgehäuse umschlossen, das ebenfalls mit einer Flüssigkeit gefüllt war und einen schmalen Zinkbarren enthielt. Die Batterie hatte Ähnlichkeit mit einer chemischen Fabrik im Kleinformat, und ich glaubte, von Zeit zu Zeit kleine Gasblasen am Zink aufsteigen zu sehen. Dieses Daniell-Element (so hieß es) sah sehr viktorianisch aus, nach tiefstem 19. Jahrhundert. Und dieses ungewöhnliche Element erzeugte Elektrizität ganz aus eigener Kraft - ohne jede Reibung, nur durch die eigenen chemischen Reaktionen. Dass dies eine ganz andere Elektrizitätsquelle war, keine durch Reibung erzeugte oder statische, sondern eine vollkommen andersartige Elektrizität, eine neue Naturkraft, muss die Zeitgenossen außerordentlich verblüfft haben, als Volta im Jahr 1800 seine Entdeckung machte. Vorher hatte es nur die flüchtigen Entladungen, die Funken und Blitze der Reibungselektrizität gegeben. Nun konnte man einen stetigen, gleichförmigen, unveränderlichen Strom erzeugen. Dazu brauchte man nur zwei verschiedene Metalle - Kupfer und Zink, oder Kupfer und Silber (Volta arbeitete mit einer ganzen Reihe von Metallen, also mit je anderen «Spannungen» oder Potenzialdifferenzen), die in ein leitendes Medium getaucht waren.
    Bei den ersten Batterien, die ich selbst herstellte, verwendete ich Obst oder Gemüse - man konnte Kupfer- und Zinkelektroden in eine Kartoffel oder Zitrone stecken und genügend Strom beziehen, um eine winzige 1-Volt-Birne zum Leuchten zu bringen. Wenn ich ein halbes Dutzend Zitronen oder Kartoffeln zusammenschloss (in Reihe, um eine höhere Spannung zu erzielen, oder parallel, um eine höhere Stromstärke zu erhalten), dann ergab das eine biologische «Batterie». Nach den Obst- und Gemüsebatterien probierte ich Münzen aus, wobei ich abwechselnd Kupfer- und Silbermünzen verwendete (allerdings gingen nur Silbermünzen, die vor 1920 geprägt worden waren,

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