Online Wartet Der Tod
Schnitzeljagd oder so was? Da war doch schon dieser andere Typ«, sagte Bud.
»Was für ein anderer Typ?«
»Ich muss Ihnen was gestehen«, fuhr Bud fort. »Jim und ich haben keinen Schimmer von Motoryachten. Wir sind Segler. Aber vor ungefähr einer halben Stunde waren wir unten am Anleger. Da hat uns ein Mann nach Gibson-Cabin-Yachten ausgefragt, hat uns ein Bild gezeigt, so ähnlich wie Ihres, und gesagt, es sei eine 5900er.«
»Rotes Haar, nicht besonders groß?«
»Ja. Sah irgendwie lustig aus, der Bursche, wenn Sie mich fragen«, sagte Bud.
»Das ist ein Freund von mir. Wir suchen beide dasselbe Boot. Und es ist ziemlich eilig.«
»Den Namen von Ihrem Freund – dem, dem das Boot gehört – wollen Sie uns wohl nicht verraten?«, fragte Jim.
»Es ist ja nicht so, dass es einem Mann peinlich sein müsste, von einer Frau wie Ihnen besucht zu werden«, fügte Bud hinzu.
»Ed Becker. Kennen Sie ihn?«
»Also wirklich, warum haben Sie das nicht gleich gesagt?«, rief Bud. »Gehen Sie an den Stegen vom Yacht Club vorbei bis zur Marina. Ed liegt in der vierten Reihe – oder, Jim?«
Ellie bedankte sich und hastete schon in Richtung Wasser, als Jim ihr nachrief: »Vierte Reihe nach Osten. Dann gehen Sie nach links. Er liegt ungefähr auf halber Höhe des Steges rechts. Bringen Sie Ihre Freunde mit! Wir besorgen noch eine Flasche.«
Den Anweisungen der beiden folgend, ging Ellie am Ufer entlang und fiel bald in einen raschen Dauerlauf. Die kalte Luft brannte in den Lungen, und unter dem Parka breitete sich feuchte Wärme aus. Bei den Bootsstegen der Marina drosselte sie ihr Tempo, um zu heftige Atemzüge und einen Widerhall ihrer Schritte auf dem Betonboden zu vermeiden.
Sie zählte. Vier Reihen. Als sie sich umschaute, war sie nicht sicher, ob sie einen so guten Blick für Boote hatte, dass sie Eds erkennen würde – Foto hin oder her. Sie betrachtete die Boote rechts des Piers und verglich sie Stück für Stück mit dem, was ihr von dem Foto her vor Augen stand. Groß. Fenster. Erhöhte Kabine. Sie sahen alle gleich aus.
Ungefähr auf halber Höhe des Steges wurde die Aufgabe, Ed Beckers Boot zu identifizieren, plötzlich um ein Vielfaches leichter. Ihre Augen hatten sich noch nicht ganz an die Dunkelheit ohne Straßenlaternen gewöhnt, aber die Gestalt, die sich da gegen die weiße Kabine eines Bootes abzeichnete, sah sie deutlich. Der Mann lehnte an der seitlichen Kabinenwand, beugte sich vor bis um die Ecke und spähte durch die zweiflügelige Tür. Selbst mit dem Mond als einziger Lichtquelle erkannte Ellie dieses Profil. Es war Flann McIlroy.
Sie stieß die Luft aus, von der sie gar nicht gemerkt hatte, dass sie sie anhielt. Flann. Es war Flann. Sie hatte ihn gefunden. Und er war nicht von jemandem mit slawischem Akzent in eine Notaufnahme befördert worden.
Ellie winkte, um ihn auf sich aufmerksam zu machen, aber er schien völlig gefesselt von dem, was er in der Kabine beobachtete. Langsam ging sie an den verlassenen dunklen Booten vorbei auf ihn zu, wobei ihr einer ihrer vorsichtigen Schritte lauter vorkam als der nächste. Als sie noch vier Yachten von ihm entfernt war, hielt sie inne. Es war anzunehmen, dass Ed sich in der Kabine befand und dass Flann keineswegs von ihm entdeckt werden wollte. Auf ihrem Weg über den Pier hatte Ellie das Gefühl, im Dunkeln zu leuchten.
Sie ließ sich auf den Boden nieder und robbte weiter, immer auf der rechten Seite des Steges, sodass sie für Becker, falls er nach draußen schaute, von den anderen Booten verdeckt wurde. So konnte sie Flann auch besser sehen. Er hielt seine Waffe mit beiden Händen vor der Brust, bereit zu feuern, falls es nötig wurde. Sie robbte schneller vorwärts.
Dabei streifte ihr Oberschenkel einen Nagelkopf, der aus einer der Planken ragte. Sie atmete scharf ein, um nicht vor Schmerz aufzuschreien, bewegte sich aber weiter vorwärts. Nun war sie nur noch zwei Boote entfernt, doch Flann war zu gebannt, um ihren Blick im Nacken zu spüren.
Während sie ihn noch beobachtete, durchschnitt ein hohes Zirpen die Stille. Es kam von ihrer Hüfte. Sie drückte eine Taste an ihrem Handy und las die Nachricht in dem kleinen Display. Nr. 1. Jess. Jess hatte als einen seiner Angreifer den Mann vom ersten der drei Fotos identifiziert, die sie ihm gefaxt hatte. Nummer eins war Vitali Rostov.
Gerade als sie ihr Telefon zuklappte, registrierte sie, wie Flann sich auf dem Boot vor ihr bewegte. Auf Beckers Boot, nur Zentimeter von Becker
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