Onno spielte, wie wenn ein erfahrener Kraftfahrer plötzlich bei jedem Handgriff und Fußtritt aufs neue überlegen mußte, wo noch mal gleich Kupplungs- und wo Gaspedal war, ja wo vorne und wo hinten. Er schupfte ungelenk wie ein Dreikäsehoch und schmetterte unkontrolliert wie ein Epileptiker. Sein im statistischen Mittel 90prozentig tödlicher Block rutschte unter die Zufallsrate. Und seine berühmte mentale Kraft und Konzentration? Siehe Gehweg zum Tre tigli.
Zu Beginn und Ende jenes unebenen, stolpergefährlichen Trottoirs standen Warnschilder. Wir hatten sie in all den Jahren eigentlich nie so recht wahrgenommen – eben bis zu jenem Montag, als Onno einen der übermannshohen Pfosten rammte.
STOLPERGEFAHR!
Unebener Weg
Bezirksamt Hmbg.-Eppendorf
Angeblich hatte er sich zu sehr auf den unebenen Gehweg konzentriert.
(Was uns umgehend bewog, ein zusätzliches Warnschild zu formulieren:
RAMMGEFAHR!
Unerwartetes Warnschild
Bezirksamt Hmbg.-Eppendorf
Dessen Pfosten folglich so niedrig sein müßte, daß es unrammbar wäre. Nichts peinlicher für ein Bezirksamt als ein gerammtes Anti-Ramm-Schild! Vielmehr müßte es beim konzentrierten Blick auf den unebenen Gehweg sofort auffallen.
Was es allerdings um so weniger täte, wenn man sich nicht auf den unebenen Gehweg konzentrierte, sondern auf das Schild wider die Stolpergefahr.
So daß, kurzum, noch vor dem Schild wider die Rammgefahr folgendes Schild erforderlich wurde:
STOLPERGEFAHR!
Niedriges Warnschild
Bezirksamt Hmbg.-Eppendorf
Vor diesem dann allerdings … usw.)
Bevor wir losgestiefelt waren, hatte Onno sich im Umkleideraum wiederum Wäschekritik anhören müssen. Ja wohl . Nicht nur, daß unsere Siege gegen ihn ohne Frage als des Feierns unwürdig einzustufen waren (Onno war einfach kein Gegner gewesen, und er wußte das auch und entschuldigte sich, zu Recht, dafür) – sollte Raimund sich darüber hinaus auch noch um die übliche Lästerei betrogen sehen? O nein, Herr von und zu Viets! »Was ist das denn!« höhnte der schöne Raimund, höchstselbst angetan mit den geschmackvollsten Boxershorts der westlichen Hemisphäre. »Wir sind doch nicht im Zirkus, Herrgottnochmal!«
Und aber am Montag, dem 10. Mai, hatte dann alles wieder seine gewohnte Ordnung. Onno hebelte uns alle wieder so derart aus, daß Raimund seinen aktuellen Unterhosenspruch nicht aus Frust wg. würdelosen Sieges, sondern wieder aus Frust wg. Niederlage anzubringen vermochte.
Zwischen diesen beiden Montagen war folgendes passiert:
Nach seiner Rückkehr von Mallorca hatte Onno fast vergessen, was überhaupt der eigentliche Zweck der Reise gewesen war. Lange hatte der Zustand natürlich nicht angehalten – leider –, und am ersten Werktag hatte Onno um neun Uhr Herrn Ludwig Käßner angerufen. Bei dem handelte es sich um einen Mann, der durchaus freundlich und onnomäßig bräsig war. (Ich selbst hatte ein-, zweimal das zweifelhafte Vergnügen eines Telefonats mit ihm, und wenn ich mir den verbalen Schlagabtausch zwischen den beiden ausmale, ersteht vor meinen Augen unweigerlich das Bild zweier Kampfschnecken.) Bräsig freundlich bestritt bzw. leugnete der Staatsdiener, über »weiteren« (?!) persönlichen Ermessensspielraum zu verfügen. Würde die erste Rate nicht am Mittwoch dem Konto der Staatskasse Hamburg gutgeschrieben, hätte er keine andere Wahl, als am Donnerstag Anzeige zu erstatten.
Um neun Uhr zehn telefonierte Onno mit Harald Herbert Queckenborn. Um neun Uhr fünfzehn sandte Onno Harald Herbert Queckenborn auf elektronischem Wege jenes parapornographische Foto, das er mit Raimunds Kompaktkamera von Händchen und Fiona gemacht hatte. Um neun Uhr fünfzig hatte er, wie erbeten, folgende E-Mail in seinem Organizer:
Von:
[email protected]An:
[email protected]Gesendet:
Montag, 3. Mai 200x 09:34 Uhr
Anfügen:
Betreff:
Telefinot von eben
Sehr geerter Herr Fietz,
hiermit bestätige ich wunschgemäss daß ich daß Beweissfoto für die Untreuhe von Fiona ihr keinesfallls zeigen werde.
Hoachtungsvoll
Harald Herbert Queckenborn
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Gegen zehn rief Onno mich an. Ich verband ihn mit Robota, meiner angebeteten langbeinigen, Mona-Lisa-wangigen Gehilfin.
Am Dienstag, dem 4. Mai, klingelte ein Fahrradkurier an Onnos Wohnungstür und überreichte ihm einen Umschlag mit Bargeld. Onno ging zur Sparkasse und überwies 300 Euro an die Staatskasse Hamburg. Dann klapperte er einen Fahrradladen nach dem anderen ab. Und begann – unter