Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition)
High-End-Dudelingenieur zu dem Zeitpunkt mein Mandat bereits zurückgegeben. Ohne Begründung. (Übrigens akzeptierte er – ebenfalls ohne Begründung.) Die Nummer mit der HEZ war mir endgültig zu eklig gewesen. Doch seine Auftritte bei V-GIRLS bis zum Finale zu verfolgen, konnte ich mir ums Verrecken nicht verkneifen. Zu lebhaft meine zoologische Neugier, wie weit mein ehemaliger prozeßfreudiger Goldesel in seinem Erniedrigungsfuror jeweils gehen würde, um sich selbst zu erhöhen.
In jenem lüsternen Stellvertreterhohn lag natürlich eines der Erfolgsgeheimnisse der Show. Ein weiteres – neben dem offensichtlichen, daß es bei der ganzen abgenudelten Casterei endlich völlig unverhohlen um Sex, Sex, Sex ging, undsonst gar nichts– bestand darin, die Vermarktungsoptionen zu verdreifachen, indem eben drei Superstars gekürt wurden. Und zwar genau drei. Nicht weniger, aber auch nicht mehr. Obwohl die meisten Prekariatsangehörigen ja sogar bis IV zählen können.
Staffel 1 war, im Vorjahr, »eingeschlagen wie eine (Sex-)Bombe« (HEZ). Auf dem historischen Tiefpunkt jeglicher Einschaltquoten war die Zeit reif gewesen, zwei Schmuddelmärkte visueller Kommunikation – jeder für sich in weiten Teilen der Gesellschaft längst stillschweigend toleriert – zu kreuzen: kriselnde Castingshows mit krisenfestem Porno.
Naheliegend; doch ein beispiellos zynischer Clou allein die vollendete Tatsache, es wirklich einfach getan zu haben. Auch die Umsetzung: erstklassig. Die Verpiepung und Verpixelung auf dem flächendeckend unverschlüsselt empfangbaren Kanal nervte so genial (ja, man zensierte punktuell gar Begriffe wie »Pizza« per Piepton, um mehr Verbalerotik vorzugaukeln, als de facto vorfiel), daß Agora TV mit ihrer Werbung für den Partnersender vom Bezahlfernsehen »offene Hosen einrannte« (Hans Nogger). Folge: astronomischer Abonnentenzuwachs. Hei, was wurde da geschunkelt in den Topetagen der Beton-Stahl-Glas-Paläste in Köln, Berlin und Hamburg! Noch im Morgengrauen war die Kokskonzentration in den Klimaschächten so hoch, daß die Putzkolonnen auf ihren Schrubbern über die Flure surften . Fast war’s wie zu den seligsten Zeiten der New Economy. Den Aktionären kam’s nach jeder Sendung gleich noch mal.
Kurz vor dem Showdown von Staffel 1 hatte der öffentliche Diskurs über diese »Tiersendung« (Hans Nogger) seinen Höhepunkt erreicht. Es hagelte Verbotsansinnen der Katholiken, der Gremien der freiwilligen Selbstkontrolle, der Familienverbände, der Hinterbänkler im Bundestag usw. usw. Das »Busenwunder Bundeskanzler« (HEZ) persönlich schwieg natürlich zu einem solchen Phänomen. Dafür gab’s um so mehr kontroverse Feuilleton- und Magazindebatten.
Im Verlauf von Staffel 2 aber wurde V-GIRLS prinzipiell gesellschaftsfähig. Selbst die Rosa – Chefredakteurin vermochte keinerlei Verstöße zu erkennen, etwa gegen Art 1, Abs. 1 GG. »Tastet man die Würde des Menschen«, schrieb sie – allerdings in ihrer HEZ – Kolumne –, »nicht erst recht an, wenn man ihn des Rechtes beraubt, sich unwürdig zu verhalten?«
Gediegener Gedanke. Darüber hatten die Mütter des Grundgesetzes offenbar nicht nachgedacht. Änderungsvorschlag zur Güte: Art. 1 (1): Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung jeder staatlichen Gewalt. (1a) Es sei denn, der Mensch tastet seine eigene Würde an (oder ist sonstwie gestört). Dann darf, ja muß ihn noch der fettigste Horner Sparkassenschwengel erniedrigen und beleidigen bis ins dritte Glied, und zwar vor Millionen von Mitmenschen. Ein Suizidkandidat hat Anspruch auf Schutz vor sich selbst, ein Showkandidat nicht. Nicht, bevor er Suizidkandidat wird.
Um den Kreis zu schließen: Auch unser aller Rosa – Chefin hatte im Verlauf von Staffel 2 ihren Frieden mit V-GIRLS gemacht, ja sich nicht entblödet, einmal sogar als Gast auf der kultigen »Besetzungscouch« Platz zu nehmen. Und so forderte sie nur mehr Geschlechterparität, andernfalls sei das, auch und besonders in europarechtlicher Hinsicht, u. a. »Diskriminierung unserer schwulen Freunde«. M. a. W., sie outete sich als Fan von Bulle Honk. Allerdings erst, nachdem Volksumfragen den Trend längst bestätigt hatten.
Durchschnittspimmel hin, Schwyzer Dialekcht her – in seiner Rolle als dankbares Verleumdungsopfer Nick Dolans hatte Bulle Honk sich binnen zwei Sendungen Sonderstatus erhurt, und nun, gegen 01:00 Uhr an jenem Abend, stand er Arm in
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