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Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition)

Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition)

Titel: Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schulz
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betrifft.
    Vermittels verzwickter Recherche hatte ich auf Onnos Bitte hin wenige Tage nach seiner Flucht aufs Land mit jenem einäugigen Hein Dattel im Hafenklinikum ein Gespräch führen können, das Aufschluß über Tetropovs Angriff auf ihn gab. Ansonsten war Loys Großherzigkeit frappierend. Warf Onno nichts vor. Nicht mal, daß er – u.   a. unter Verwendung der Wahrheit – gelogen hatte, was den Zweck seines Aufenthalts in der Ritze anging. Nein, kein Vorwurf: Händchen sei halt Hemppler. Ich notierte seine Handynummer und versprach, daß Onno sich melden würde.
    Als der das dann versuchte, erreichte er ihn nicht mehr. (Ich vermute, daß auch jener später von Tetropov engagierte Detektiv Albert Loy eines Tages heimsuchte. Und Loy schaute, daß er Land gewann, so lang er noch halb wegs schauen konnte. Anfang August erreichte meine Kanzlei per Postkutsche ein Kärtchen aus einer Art Betty-Ford-Klinik in Kalifornien, die ich wunschgemäß an Onno weiterleitete.)
    So bewohnte Onno – nach außen hin geistig hart arbeitend, in Wahrheit jedoch mit schwelender Angst um Edda – Henry Baenschs Liege auf dem Rasen, umgeben von Betty Baenschs Garten. Blaumeisen flatterten vom Blauregen hinüber in die Hemlock-Tanne und von der Hemlock-Tanne herüber in die Mädchenkiefer. Schwarze und braune Amseln badeten auf einem kleinen Fels unterm kleinen Wasserfall am kleinen Teich. Buchfinken besichtigten das luxuriöse, reetbedachte Vogelhaus, das auf dem abgesägten Birkenstamm thronte, der hoch über einem gelben Trollwäldchen aus Kriechspindel emporragte. In einem krummen Stuhl aus Ästen derselben Birke ließen Fuchsien einen Strauß von roten Kelchen baumeln, und der Island-Mohn darunter reckte ihnen eine einzige strahlende Blütensonne entgegen, als lebe er von ihren Seelenpollen. Zart sprossen lila Lichtnelken, und Bienen taumelten volltrunken vom rüschenhaften Phlox zum spröden Ilex, von der Knollenbegonie zum Rittersporn, von der Hortensie zur Geranie, und um die ätherischere Ausstrahlung wetteiferten Schleierkraut und Spiree.
    Selbst die Tauben in der Krone der zentralen Eiche … – Onno schloß einen Burgfrieden mit ihnen. Es fiel ihm nicht einmal schwer, verfügten sie doch über eine klarere, sauberere Stimme als ihre bedauernswerten, widerlichen Schmutzvettern in der Großstadt, und so reizte ihr Gesang – Guguhu, guhu. Guguhu, guhu  – ihn mitnichten zu angeekeltem Räuspern.
    Nach jedem markerschütternden nächtlichen Gewitter baute sich die nächste Hitzefront des Sommers auf, und schon Ende Juli organisierte Henry für Betty, die ihre Lieblinge jeden Abend ungefähr anderthalb Stunden tränkte, zusätzliche Regentonnen – die Landesregierung rief zur Sprengwasserrationierung auf. Onno ließ sich bronzerot backen (diesmal beherzigte er die Sonnenschutzregeln). Rasieren tat er sich nur noch den Schädel, und natürlich glaubten ihm die Baenschs (und zwar unter warmherzig wehklagendem Spötteln) sofort, daß er eine ominöse Wette verloren habe. »Um was? Kann ich nicht verraten. Zu peinlich, nech.«
    Jede Woche wurde mehrfach gegrillt.
    Um diese Zeit begann es, daß die Zeitungen immer wieder mal mit der Mückenseuche im Norden aufmachten, selbst der Mantelteil der Lokalzeitung. Die Zahl der Fälle von Übertragung mit jenem aggressiven afrikanischen Virus hatte allein in der Stadt Hamburg die Vierstelligkeitsgrenze überschritten und stieg exponentiell. Die Krankenhäuser waren überlastet, die Drogerieregale mit Autan und anderen Schutzmitteln von Hamsterern leergefegt, nicht mehr nur Schwangere und HIV – Infizierte in Lebensgefahr, sondern jeder Mensch mit geschwächtem Immunsystem.
    Henry Baensch als Exförster pflegte sowieso stets einen ordentlichen Fonds an Mückenschutzmitteln vorzuhalten, um jederzeit unbehelligt auf Ansitz gehen zu können. Bezog seine Pumpsprays aus dem Großhandel. Nichtsdestoweniger herrschte auch hier draußen auf dem Lande gehöriger Respekt vor der Bedrohung, ins Koma zu fallen wie so mancher auf Hamburger Intensivstationen.
    [42]
    Anfang Juli, auf dem Weg zu Liliput , in der Mittagspause und auf dem Heimweg, sah Edda jeweils ein kleines Motorflugzeug über Hamburg kreisen, das nach Auskunft der Fa. Rentaban an jenem Tag über ganz Hamburg gekreist war, im Schlepptau ein Banner mit dem Text:
    ICH KRIEG DICH OTTO!
    [43]
    Die einzige, winzige Genugtuung, ja Freude in diesem Sommer verschaffte Onno ein Herr, dem er das am allerwenigsten zugetraut hätte.
    Am

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