Opas Eisberg: Auf Spurensuche durch Grönland (German Edition)
er einen von ihnen in den dunklen Keller, um was zu holen.« Als Patrick schon drängelt, nun die Zelte abzubauen, fällt ihr noch etwas ein. »Roderich hatte übrigens entschieden etwas gegen Journalisten«, sagt sie und grinst.
Wir packen unsere Sachen und nehmen Abschied vom Hundefjord. Zwischen den Felsausläufern von Ficks Bjerg und Gaule Bjerg, steinernen Denkmälern der beiden Freunde, die auf ewig nebeneinanderliegen, nimmt unser Motorboot Fahrt auf.
19. September 2011
Hamburg
Es gibt in Deutschland Tausende Familiennamen, und Fick zählt zu den weniger schönen. Ich bin froh, dass ich nicht so heiße, ich glaube, ich hätte mich längst umbenannt. Das ist gemäß Namensänderungsgesetz (NamÄndG) gegen eine Gebühr beim Standesamt kein großes Problem, wenn der Name lächerlich oder anstößig ist und man belegen kann, dass man darunter leidet. Ich hätte mir sogar einen neuen aussuchen können, eine verlockende Vorstellung, dann hieße ich jetzt Beckenbauer, Mozart oder Amundsen oder irgendwas mit Mac- am Anfang wie ein Lord aus einer schottischen Adelsdynastie.
Aber zurück zu Fick. Egal, welchen Vornamen man damit kombiniert, da ist nichts zu retten. Kann ein Fick Fußballstar werden? Bundeskanzler? Arktisheld?
Manchmal denke ich, dass die Schüchternheit meines Opas gegenüber Fremden darin begründet lag, dass er schlicht Angst davor hatte, sich vorzustellen. Aber das ist Quatsch, denn zu seinen Lebzeiten hatte der Begriff noch keine sexuelle Bedeutung. Meine Mutter wurde in ihrer ganzen Schulzeit nicht damit aufgezogen. Erst nach 1968, als sie zum Studium nach München gezogen war und dort im Telefonbuch stand, kamen zum ersten Mal nachts obszöne Anrufe. Auch meine Oma hatte immer mal wieder kichernde Teenager am Telefon.
Was für ein seltsames Erbe ist doch ein Name, der zu Hänseleien verleitet! So war Roderich Fick immer dann im Alltag seiner Witwe oder Tochter präsent, wenn die Scherzanrufe kamen. Dabei ist der Name Fick gar nicht so selten. Eine Suche im On-line-Telefonbuch bringt
579 private Einträge in Deutschland. Zum Vergleich: Müller bringt es auf 192 203 Treffer, Schmidt auf 140 573. 426 Menschen heißen Ficker, 63 Fuck und 40 Ficken.
25. November 2011
Dresden
Wer die Begriffe »Grönlanddurchquerung de Quervain« googelt, gelangt bald auf eine Expeditionsseite von Professor Wilfried Korth aus Berlin. Wohl niemand in Deutschland kennt die Route von 1912 so gut wie er. Schon dreimal ist er sie nachgelaufen, um einige der wissenschaftlichen Messungen von damals zu wiederholen. Ohne Schlittenhunde, nur auf Skiern, mit wechselnden Begleitern. Und mit einer Ausrüstung, die dank modernster GPS-Technologie eine zentimetergenaue Bestimmung der Eishöhen erlaubt. Die Route verläuft an der Westseite weiter im Norden als die Standardquerung von Tasiilaq nach Kangerlussuaq, die heute am häufigsten begangen wird und bei Reiseveranstaltern gebucht werden kann. Zum ersten Mal machte er die Tour 2002, zum 90-jährigen Jubiläum der de-Quervain-Expedition. Die Idee hatte der befreundete Geodät und Extrembergsteiger Wieland Adler. Nach jahrelanger Vorbereitung schaffte es die Vierergruppe, das Eis in 39 Tagen zu überqueren. Vier Jahre später wiederholten sie die Leistung mit einer anderen Mannschaft.
201
0 brach Korth erneut auf. Um sich diesmal den mühsamen Aufstieg an der Ostküste zu ersparen, ließ er die Gruppe von drei Männern per Hubschrauber auf 1250 Höhenmeter bringen. Trotz dieser Erleichterung wurde das die aufreibendste Tour der Serie. Weil ein Teilnehmer nach fünf Tagen auf dem Eis krank wurde und Fieber hatte, mussten sie seinen Schlitten entlasten und Proviant zurücklassen. An der Westküste gerieten sie dann in ein heftiges Spaltengebiet, wie sie es vorher nicht erlebt hatten, und die Verpflegung wurde knapp. Sie sahen ein, dass es unmöglich war, aus eigener Kraft bis ans Ziel zu kommen, also riefen sie per Satellitentelefon einen Rettungshubschrauber und ließen sich ausfliegen.
Ich habe Korth per E-Mail angeschrieben, er war begeistert, von einem Enkel eines Teilnehmers seiner Vorbildexpedition zu hören. Zumal er in Roderich Fick seinen Vorgänger sah, weil dieser ebenfalls für die Vermessungsarbeiten auf dem Eis verantwortlich war. Er schickte mir eine gedruckte Ausgabe seines Expeditionstagebuches von 2002, erschienen unter dem Titel »Die Schönheit der Monotonie«, und deutete an, dass er zum 100-jährigen Jubiläum auch gern was machen würde. Er lud mich
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