Opas Eisberg: Auf Spurensuche durch Grönland (German Edition)
war das Teil bei einer Kollision mit Eismassen abgebrochen. Gerüchte deuten allerdings auf Sabotage hin: Wilkins vermutete, dass ein Maschinist das lebensgefährliche Manöver um jeden Preis verhindern wollte, weil er es unterwegs mit der Angst zu tun bekam.
Auch ich bekomme an dem Abend mulmige Gefühle, denn ich unterhalte mich mit einigen Leuten, die schon einmal Grönland durchquert haben. Harald Fuchs zum Beispiel, der in Berlin beim Alpenverein Kurse für angehende Arktis-Expediteure leitet. Er erzählt davon, wie ungemütlich eine Nacht im Zelt bei minus 40 Grad und 140 km/h Windgeschwindigkeit ist. Und er hat sogar schon ein System entdeckt, zu welchen Zeitpunkten einer Expedition er die meisten Motivationsprobleme hat. »Tag 3, Tag 10 und Tag 20 sind meine Durchhänger«, sagt er.
Oder Martin Rückamp. Er war 2006
mit Wilfried Korth unterwegs und meint: »Hätte ich vorher gewusst, dass das Abendessen und der Schlafsack die Highlights der Tour sind, hätte ich das nicht gemacht.« In anderen Gesprächen erfahre ich von Streitigkeiten, die aus der Grönland-Tour eine zeitweise Grönland-Tortur gemacht haben, bis hin zur handfesten Prügelei im Eis.
Ein wenig einschüchternd sind auch die alpinen Erfahrungen der meisten Anwesenden. Achttausender im Himalaja, Siebentausender im Kaukasus, wochenlange Eistouren in Arktis und Antarktis. Dazu Marathons, Ultra-Marathons, Radrennen. Der Zenit meiner Laufbahn als Sportler dagegen liegt 24 Jahre zurück: In der dritten Klasse der Grundschule Münster-Amelsbüren erkämpfte ich mir eine Ehrenurkunde bei den Bundesjugendspielen (Weitsprung und 800-Meter-Lauf super, Weitwurf erbärmlich). Jetzt gehe ich im Urlaub ab und zu in die Berge und spiele einmal pro Woche Fußball.
Wilfried will tatsächlich 2012 noch einmal auf Skiern durch Grönland laufen. Grauer Vollbart, lebendig blitzende Augen, eine Eisbärenkralle am Lederband um den Hals – würde man sich überlegen, wie man sich heutzutage einen typischen Arktisforscher vorstellt, käme dabei wohl eine Art Wilfried Korth heraus. »Man muss schon fit sein für so was, aber viel wichtiger ist die mentale Stärke«, sagt der gut gelaunte 52-Jährige. Mit dieser Eintönigkeit, der vollkommenen Monotonie von Landschaft und Tagesabläufen klarzukommen, das sei eigentlich die größte Herausforderung.
»Die Vorbereitung beginnt im Januar«, sagt er beim Abschied.
7. Januar 1912
Zürich
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An Alfred de Quervain
Sehr geehrter Herr Doktor!
Unsere Erfahrungen von der Versuchsexpedition im Engadin sind kurz folgende:
1. Zelt: Eingang mit Schlauchverschluss hat sich gut bewährt. Der Boden (Seidenboden) ist nach einer Nacht feucht und festgefrohren. Ski als »Häring« benutzt ging gut. Lässt sich klein zusammenpacken.
2. Primus: Hat jedesmal gut funktioniert. Den Petroleumverbrauch werden wir hier zu Haus feststellen, weil uns geeignete Messgefässe fehlen.
3. Schlittenverpackung: Messingplatten haben sich gut bewährt. Für Proviant, Primus u. s. w. Kistchen geeigneter wie Sack.
4. Das Schlittenziehen haben wir nur auf Ski ausprobiert, da wir keine Schneereifen mithatten. Wir sind aber auch mit Ski auf ganz ungebahntem Schnee nicht zurückgeglitten. Es gieng so auffallend gut, dass wir gar kein Bedürfnis nach Schneereifen hatten.
5. Temperaturen (Föhnwind)
Zelt
Aussen
3. 1. 12. Abends 10h
+4°
–3°
4. 1. 12. Morgens 8.30
+4°
–2,5°
5. 1. 12. Morgens 9.00
0°
–4°
Bei dem Föhnwind herrschte im Zelt vollkommene Windstille.
6. Schlafsäcke haben sich schlecht bewährt. Knöpfe giengen oft auf. Luftkissenventile nicht zuverlässig. Ohne Pelze entschieden zu kalt.
Mit Fellkleidern und Kamikern hatten wir sehr schön warm.
Vorschläge zu Abänderungen werden wir am besten mündlich erörtern.
Falls Sie diese Woche noch nicht wieder nach Zürich kommen, werden wir Sie auf Ihren Wunsch gerne in Basel aufsuchen, da es wohl zweckmässig ist, vor meiner (d. i. Fick’s) Abreise nach Deutschland (Ende der Woche) eine gemeinsame Besprechung zu haben.
Im übrigen hoffen wir, dass Sie bald wieder im Besitze Ihrer vollen Bewegungsfreiheit sein werden.
Hochachtungsvoll, Ihre ergebenen
R. Fick. K. Gaule
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Rechnung für Schweizerische Grönlandexpedition
von
Roderich Fick, Architekt
Zürich V
Schmelzbergstraße 34
Fernsprecher 2825
Auslagen Engadinexpedition
3 kg Corned Beef zu
2.20
6.60
3 Maggisuppen
0.60
1.80
5 Ochsenschwanzsuppen
0.15
0.75
2 Knorr Suppenwürste
0.15
0.30
2 Cond.
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