Opas Eisberg: Auf Spurensuche durch Grönland (German Edition)
Anordnung von Expeditionsleiter Alfred de Quervain, doppelt ausgefertigt:
21. Juli. Zeltplatz 29. Quervain geht mit Gaule für zwei bis drei, unter Umständen vier bis fünf Tage, nach der Südsüdosthalbinsel (»Gauleberg«) zur Orientierung und Auffindung des Depots; dieses vermute ich auf der Fjordküste der Halbinsel Gauleberg in circa 18 Kilometer Distanz. An Halteplätzen hinterlassen wir Notizen über weitere Richtung. Hoessli und Fick bleiben bei Zeltplatz 29; werden mit vorhandenem Material Bootsplan im Detail ausarbeiten; eine Anzahl Hunde schlachten und Fleisch sicher begraben, Horizontaufnahmen, meteorologische Beobachtungen und Chronometer besorgen. Bleiben wir länger als sechs Tage aus, so sollen sie in angegebener Richtung nachsehen; dann aber alles tun, um selbst Angmagssalik zu erreichen und Resultate zu bergen, bei Zeltplatz 29 Notiz und Notproviant hinterlassen; Ausgangspunkt der Bootsfahrt auf jeden Fall in vermuteter Depotgegend. Quervain.
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Hitlers Architekt
Rechts steht Opa mit einer Art Trachtenhut, links daneben Adolf Hitler mit Militär-Schirmmütze. Beim Blättern in einem Buch über Architektur im »Dritten Reich« habe ich das Foto vor ein paar Jahren in Herrsching entdeckt. Zwei auf so verschiedene Art vertraute Gesichter, vereint auf einem Dokument. Neben Hitler stehen außerdem noch die NS-Architekten Hermann Giesler und Albert Speer, teure Parkas, sauber gescheitelte Haare. Mir wurde ein bisschen schwindelig, ich musste das Buch kurz weglegen, so fremd, so falsch kam mir dieses Zusammentreffen von Privat- und Weltgeschichte vor, der Schwarz-Weiß-Beweis für Opas Pakt mit dem Diktator.
Natürlich wusste ich, dass er im »Dritten Reich« ein erfolgreicher Architekt war, der mehrere Großaufträge von den Nationalsozialisten erhielt. Aber ein Bild ist stärker als tausend Worte, viel wurde über das Thema nicht gesprochen in unserer Familie.
Bei der Einweihungsfeier seines Hauses der Deutschen Ärzte in München, Brienner Straße 23, lernt er 1935 den architekturbegeisterten Hitler persönlich kennen. Dem gefällt sein traditionsorientierter Baustil, er lädt ihn zu einem Gespräch in die NSDAP-Zentrale »Braunes Haus« ein, die sich nur ein paar Häuser entfernt befindet. Kurz darauf hat mein Großvater seinen ersten Auftrag für die Nazis in der Tasche: die Rudolf-Heß-Siedlung in Pullach, ein Luxus-Wohnareal auf 68 Hektar Fläche für die Parteielite. Dabei hat er noch am 30. Januar 1933, dem Tag der Machtergreifung, an seinen engen Vertrauten Heinrich Zierl geschrieben: »Dass sie den Hitler jetzt doch angesetzt haben, ist mir nicht recht behaglich. Allerdings kann er ja allein nicht viel machen, da ihm allerhand Bremsen beigegeben sind.«
Doch der wirtschaftliche Anreiz und die Freude über Wertschätzung von höchster Stelle wiegen stärker als politische Vorbehalte: Nach vielen Jahren, in denen er sehr kämpfen musste, um über die Runden zu kommen, ist er nun auf dem besten Weg, Karriere zu machen. Er entwirft eine Kaserne für Gebirgsjäger in Sonthofen, Brücken in Regensburg und Bad Tölz. Schließlich nimmt er mehrere Aufträge für den Obersalzberg an, Hitlers Rückzugsort in Berchtesgaden.
Sein berühmtestes Bauwerk dort ist das Kehlsteinhaus, errichtet auf einem 1820 Meter hohen Bergsporn mit Traumblick auf Watzmann und Königssee. Die NSDAP schenkt Hitler den Prachtbau zum 50. Geburtstag – samt Kamin aus Carrara-Marmor, Wänden aus Zirbelholz und einem 124 Meter hohen Aufzug mit Messingverkleidung in den Kabinen.
Der Aufwand der Planungen ist enorm, mein Großvater – ich nenne ihn jetzt nicht Opa, so fern kommt er mir in seinen späten Jahren vor – muss in kurzer Zeit viele neue Mitarbeiter einstellen. »Ich weiss garnicht, wie man ein so grosses Büro leitet. Ich bin nachgewiesenermassen der Dümmste im Büro. Die andern sind alle sehr gescheit. Was macht man da?«, fragt er in einem Brief an Zierl.
Ein noch weitaus größeres Problem sind die ständigen Streitigkeiten mit dem NSDAP-Reichsleiter Martin Bormann. Der für seinen Jähzorn berüchtigte persönliche Sekretär Hitlers ist der zweitmächtigste Mann im NS-Staat und Oberaufseher sämtlicher Bauten auf dem Obersalzberg. Auf den Baustellen führt er ein unbarmherziges Regiment. Wenn ihm Details nicht gefallen, reagiert er mit Wutanfällen, vor allem das riesige Hotel »Platterhof« entwickelt sich nicht so, wie er es sich vorstellt.
Schließlich hält es der Architekt nicht mehr aus: »Mit
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