Oper und Drama
ein notwendiger war und die bestimmte Wendung zur Tonmalerei aus aufrichtigeren Motiven hervorging als z. B. die Rückkehr zum fugierten Stile Bachs. Namentlich ist aber auch nicht zu verkennen, daß das sinnliche Vermögen der Instrumentalsprache durch die Tonmalerei ungemein gesteigert und bereichert worden ist. – Erkennen wir nun, daß dieses Vermögen nicht nur in das Unermeßliche gesteigert, sondern seinem Ausdrucke zugleich das Erkältende vollständig benommen werden kann, wenn der Tonmaler statt an die Phantasie sich wieder an das Gefühl wenden darf, was ihm dadurch geboten wird, daß der von ihm nur an den Gedanken mitgeteilte Gegenstand seiner Schilderung als ein gegenwärtiger, wirklicher an die Sinne kundgetan wird, und zwar eben nicht als bloßes Hülfsmittel zum Verständnisse seines Tongemäldes, sondern als aus einer höchsten dichterischen Absicht, zu deren Verwirklichung das Tongemälde das Helfende sein soll, bedingt. Der Gegenstand des Tongemäldes konnte nur ein Moment aus dem Naturleben oder dem Menschenleben selbst sein. Gerade solche Momente aus dem Natur- oder Menschenleben, zu deren Schilderung sich bisher der Musiker angezogen fühlte, sind es nun aber, deren der Dichter zur Vorbereitung wichtiger dramatischer Entwickelungen bedarf und deren mächtiger Hülfe der bisherige absolute Schauspieldichter, zum höchsten Nachteile für sein gewolltes Kunstwerk, von vornherein entsagen mußte, weil er jene Momente, je vollständiger sie von der Szene aus dem Auge sich ausdrücken sollten, ohne die ergänzende und gefühlsbestimmende Mitwirkung der Musik, für ungerechtfertigt, störend, lähmend, nicht aber helfend und fördernd halten mußte.
Jene vom Dichter notwendig in uns anzuregenden, unbestimmten, ahnungsvollen Empfindungen werden immer mit einer Erscheinung in Verbindung zu stehen haben, die sich wiederum an das Auge mitteilt; diese wird ein Moment der Naturumgebung oder des menschlichen Mittelpunktes dieser Umgebung selbst sein, – jedenfalls ein Moment, dessen Bewegung sich noch nicht aus einer bestimmt kundgegebenen Empfindung bedingt, denn diese kann nur die Wortsprache in dem, bereits näher bezeichneten, Vereine mit der Gebärde und der Musik aussprechen – also die Wortsprache, deren bestimmende Kundgebung wir uns hier eben als eine durch das angeregte Verlangen erst hervorzurufende denken. Keine Sprache ist fähig, eine vorbereitende Ruhe so bewegungsvoll auszudrücken als die Instrumentalsprache: diese Ruhe zum bewegungsvollen Verlangen zu steigern ist ihr eigentümlichstes Vermögen. Was sich uns aus einer Naturszene oder aus einer schweigsamen, gebärdelosen menschlichen Erscheinung an das Auge darbietet, und von dem Auge aus unsre Empfindung zu ruhiger Betrachtung bestimmt, das vermag die Musik in der Weise der Empfindung zuzuführen, daß sie, von dem Momente der Ruhe ausgehend, diese Empfindung zur Spannung und Erwartung bewegt, und somit eben das Verlangen erweckt, dessen der Dichter zur Kundgebung seiner Absicht als ermöglichende Hülfe unsrerseits bedarf. Dieser Anregung unsres Gefühles nach einem bestimmten Gegenstande hin hat der Dichter sogar nötig, um uns selbst auf eine bestimmende Erscheinung für das Auge vorzubereiten, nämlich – selbst die Erscheinung der Naturszene oder menschlicher Persönlichkeiten uns nicht eher vorzuführen, als bis unsre auf sie erregte Erwartung sie, in der Art wie sie sich kundgibt, als notwendig, weil der Erwartung entsprechend, bedingt. –
Der Ausdruck, der Musik wird, bei der Verwendung dieser äußersten Fähigkeit, so lange ein gänzlich vager und unbestimmender bleiben, als er nicht die soeben bezeichnete dichterische Absicht in sich aufnimmt: diese aber, welche sich auf eine bestimmte zu verwirklichende Erscheinung bezieht, vermag im voraus dieser Erscheinung die sinnlichen Momente des vorbereitenden Tonstückes so zu entnehmen, daß sie in beziehungsvoller Weise ihr ganz so entsprechen, wie die endlich vorgeführte Erscheinung den Erwartungen entspricht, die das vorausverkündende Tonstück in uns erregte. Die wirkliche Erscheinung tritt demnach als erfülltes Verlangen, als gerechtfertigte Ahnung vor uns hin; und rufen wir uns nun zurück, daß der Dichter die Erscheinungen des Dramas als über das gewöhnliche Leben hervorragende, wunderbare, dem Gefühle vergegenwärtigen muß, so haben wir auch zu begreifen, daß diese Erscheinungen sich als solche uns nicht kundgeben würden, oder daß sie uns unverständlich
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