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Oper und Drama

Oper und Drama

Titel: Oper und Drama Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Wagner
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reflektierten Gestaltung des Dramas zu, dessen modernen Ursprung wir in dem nach den Aristotelischen Einheitsregeln konstruierten, antiquisierenden Drama zu erkennen hatten.
    Beide Wirkungen und Richtungen sind die gestaltenden Motive in den Werken der zwei bedeutendsten dramatischen Dichter der neueren Zeit, Goethes und Schillers , deren ich, soweit es für den Zweck meiner Untersuchung erforderlich ist, hier näher gedenken muß.
     
    Goethes Laufbahn als dramatischer Dichter begann mit der Dramatisierung eines vollblutig germanischen Ritterromanes, des »Götz von Berlichingen«. Das Shakespearesche Verfahren war hier ganz getreu befolgt, der Roman mit allen seinen ausführlichen Zügen so weit für die Bühne übersetzt, als die Verengung derselben und die Zusammendrängung der Zeitdauer der dramatischen Aufführung es gestatteten. Goethe traf aber bereits auf die Bühne, auf der das Lokal der Handlung nach den Erfordernissen derselben, wenn auch roh und dürftig, dennoch mit bestimmter Absicht zur Darstellung gebracht wurde. Dieser Umstand veranlaßte den Dichter, sein mehr vom literarisch-, als szenisch-dramatischen Standpunkte aus verfaßtes Gedicht nachträglich für die wirkliche Darstellung auf der Bühne umzuarbeiten: durch die letzte Gestalt, die ihm aus Rücksicht auf die Erfordernisse der Szene gegeben wurde, hat das Gedicht die Frische des Romanes verloren, ohne dafür die volle Kraft des Dramas zu gewinnen.
    Goethe wählte nun für seine Dramen zunächst bürgerliche Romanstoffe. Das Charakteristische des bürgerlichen Romanes besteht darin, daß die ihm zugrundeliegende Handlung von einem umfassenderen Zusammenhange historischer Handlungen und Beziehungen sich vollständig lostrennt, nur den sozialen Niederschlag dieser geschichtlichen Ereignisse als bedingende Umgebung festhält, und innerhalb dieser Umgebung, die im Grunde doch nur die zur Farblosigkeit herabgedämpfte Rückwirkung jener historischen Begebenheiten ist, mehr nach gebieterisch von dieser Umgebung auferlegten Stimmungen als nach inneren, zu vollkommen gestaltender Äußerung befähigten Beweggründen sich entwickelt. Diese Handlung ist ebenso beschränkt und arm als die Stimmungen, durch die sie hervorgerufen wird, ohne Freiheit und selbständige Innerlichkeit sind. Ihre Dramatisierung entsprach aber sowohl dem geistigen Gesichtspunkte des Publikums als namentlich auch der äußeren Möglichkeit der szenischen Darstellung, und zwar dies insoweit, als aus dieser ärmlichen Handlung nirgends Notwendigkeiten für die praktische Szenierung hervorgingen, denen diese nicht von vornherein zu entsprechen vermocht hätte. Was ein Geist, wie Goethe, unter solchen Beschränkungen dichtete, müssen wir fast nur aus der von ihm gefühlten Notwendigkeit der Unterordnung unter gewisse beschränkende Maximen zur Ermöglichung des Dramas überhaupt, gewiß aber weniger als aus einer freiwilligen Unterordnung unter den beschränkten Geist der Handlung des bürgerlichen Romanes und die Stimmung des Publikums, die ihn begünstigte, selbst hervorgegangen ansehen. Aus dieser Beschränkung erlöste sich Goethe aber zu fessellosester Freiheit durch gänzliches Aufgeben des wirklichen Bühnendramas. Bei seinem Entwurfe des »Faust« hielt er nur die Vorteile einer dramatischen Darlegung für das Literaturgedicht fest, die Möglichkeit einer szenischen Aufführung mit Absicht gänzlich außer acht lassend. In diesem Gedicht schlug Goethe zum ersten Male mit vollem Bewußtsein den Grundton des eigentlichen poetischen Elementes der Gegenwart an, das Drängen des Gedankens in die Wirklichkeit , den er künstlerisch aber noch nicht in die Wirklichkeit des Dramas erlösen konnte. Hier ist der Scheidepunkt des mittelalterlichen, bis zur Seichtigkeit des bürgerlichen verflachten Romanes und des wirklich dramatischen Stoffes der Zukunft. Wir müssen es uns vorbehalten, auf die Charakteristik dieses Scheidepunktes näher einzugehen: für jetzt gelte uns die Erfahrung für wichtig, daß Goethe, auf diesem Scheidepunkte angelangt, weder einen wirklichen Roman noch ein wirkliches Drama zu geben vermochte, sondern eben nur ein Gedicht, das der Vorteile beider Gattungen nach abstrahiertem künstlerischem Maße genoß.
    Von diesem Gedichte, das wie eine immer lebendig rieselnde Quellader sich durch das ganze Künstlerleben des Dichters mit gestaltender Anregung dahinzieht, sehen wir hier ab und verfolgen Goethes Kunstschaffen immer wieder da, wo er mit erneueten Versuchen

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