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Oper und Drama

Oper und Drama

Titel: Oper und Drama Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Wagner
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verlegen und das Drama selbst in zwei Dramen auflösen, was bei den mehrteiligen historischen Dramen Shakespeares eine ganz andere Bedeutung hat, da in ihnen ganze Lebensläufe von Personen, die zu einem historischen Mittelpunkte dienen, nach ihren wichtigsten Perioden abgeteilt sind, während im Wallenstein nur eine solche, an Stoff verhältnismäßig gar nicht überreiche, Periode, bloß wegen der Umständlichkeit der Motivierung eines zur Unklarheit getrübten historischen Momentes, mehrteilig gegeben wird. Shakespeare würde auf seiner Bühne den ganzen Dreißigjährigen Krieg in drei Stücken gegeben haben.
    Dieses »dramatische Gedicht« – wie Schiller selbst es nennt – war dennoch der redlichste Versuch, der Geschichte als solcher Stoff für das Drama abzugewinnen.
    In der weiteren Entwickelung des Dramas sehen wir von nun an von Schiller die Rücksicht auf die Historie immer mehr fallen lassen, einerseits um die Historie selbst nur als Verkleidung eines besonderen, dem allgemeinen Bildungsgange des Dichters eigenen, gedankenhaften Motives zu verwenden – andererseits um dieses Motiv immer bestimmter in einer Form des Dramas zu geben, die der Natur der Sache nach, und namentlich auch seit Goethes vielseitigen Versuchen, zum Gegenstände künstlerischer Spekulation geworden war. Schiller geriet bei dieser zwecklichen Unterordnung und willkürlichen Bestimmung des Stoffes immer tiefer in den notwendigen Fehler der bloß reflektierenden und rhetorisch sich gebarenden Darstellung des Gegenstandes, bis er diesen endlich ganz nur noch nach der Form bestimmte, die er als rein künstlerisch zweckmäßigste der griechischen Tragödie entnahm. In seiner »Braut von Messina« verfuhr er für die Nachahmung der griechischen Form noch bestimmter als Goethe in der »Iphigenia«: Goethe konstruierte sich diese Form nur soweit zurück, als in ihr die plastische Einheit einer Handlung sich kundgeben sollte; Schiller suchte aus dieser Form selbst den Stoff des Dramas zu gestalten. Hierin näherte er sich dem Verfahren der französischen Tragödiendichter; nur unterschied er sich von ihnen wesentlich dadurch, daß er die griechische Form vollständiger herstellte, als sie diesen mitgeteilt worden war, und daß er den Geist dieser Form, von dem diese gar nichts wußten, zu beleben und dem Stoffe selbst einzuprägen suchte. Er nahm hierzu von der griechischen Tragödie das »Fatum« – allerdings nur nach dem ihm möglichen Verständnisse von ihm – auf und konstruierte aus diesem Fatum eine Handlung, die nach ihrem mittelalterlichen Kostüm den lebendigen Vermittelungspunkt zwischen der Antike und dem modernen Verständnisse bieten sollte. Nie ist vom rein kunsthistorischen Standpunkte aus so absichtlich geschaffen worden, als in dieser »Braut von Messina«: was Goethe in der Vermählung des Faust mit der Helena andeutete, sollte hier durch künstlerische Spekulation verwirklicht werden. Diese Verwirklichung glückte aber entschieden nicht: Stoff und Form wurden gleichmäßig getrübt, so daß weder der mittelalterliche, gewaltsam gedeutete Roman zur Wirkung noch auch die antike Form zur klaren Anschauung kam. Wer möchte aus diesem fruchtlosen Versuche Schillers nicht gründliche Belehrung ziehen? – Verzweifelnd wandte auch Schiller von dieser Form sich wieder ab und suchte in seinem letzten dramatischen Gedichte, »Wilhelm Tell«, durch Wiederaufnahme der dramatischen Romanform wenigstens seine dichterische Frische zu retten, die unter seinem ästhetischen Experimentieren merklich erschlafft war.
    Auch Schillers dramatisches Kunstschaffen sehen wir also im Schwanken zwischen Historie und Roman, dem eigentlichen poetischen Lebenselemente unserer Zeit, einerseits und der vollendeten Form des griechischen Dramas andererseits, befangen: mit allen Fasern seiner dichterischen Lebenskraft haftete er an jenem, während sein höherer künstlerischer Gestaltungsdrang ihn nach dieser hintrieb.
    Was Schiller besonders charakterisiert, ist, daß in ihm der Drang zur antiken, reinen Kunstform zum Drange nach dem Idealen überhaupt sich gestaltete. Er war so schmerzlich betrübt, diese Form nicht mit dem Inhalte unseres Lebenselementes künstlerisch erfüllen zu können, daß ihm endlich von der Ausbeutung dieses Elementes durch künstlerische Darstellung selbst ekelte. Goethes praktischer Sinn versöhnte sich mit unserem Lebenselemente durch Aufgeben der vollendeten Kunstform und Weiterbildung der einzigen, in der dieses Leben sich

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