Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Operation Amazonas

Titel: Operation Amazonas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Rollins
Vom Netzwerk:
Hängematten führten.
Mit dem Verbandszeug in der Hand beobachtete sie, wie der blutige Verband ihres Bruders entfernt wurde. In diesem Moment mehr Schwester als Ärztin, wurde Kelly ganz mulmig, als sie den weißen gesplitterten Knochen sah, die zerfetzten Muskeln, das gelatinöse Fleisch. Ein dicker Strom dunklen, teilweise geronnenen Blutes strömte aus der Wunde und tropfte durch das Gewebe der Hängematte.
Auf einmal bekam Kelly keine Luft mehr. Die Geräusche klangen gleichzeitig gedämpft und schärfer. Ihr Gesichtsfeld verengte sich bis auf die bewusstlose Gestalt in der Hängematte. Das ist nicht Frank, versuchte ihr eine Stimme einzuflüstern. Ein anderer Teil von ihr aber kannte die Wahrheit. Ihr Bruder würde sterben. Tränen traten ihr in die Augen und ein Stöhnen entrang sich ihrer Kehle.
Kouwe legte ihr den Arm um die Schultern und zog sie tröstend an sich.
»Ach, Gott … bitte …«, schluchzte Kelly.
Ohne sich von ihrem Ausbruch aus der Ruhe bringen zu lassen, untersuchte der Schamane der Ban-ali mit konzentrierter Miene den Beinstummel. Dann schöpfte er eine Hand voll dicken Safts von der Farbe von Portwein aus der Schüssel und schmierte ihn auf den Stumpf.
Die Reaktion erfolgte unmittelbar – und sie war heftig. Franks Bein zuckte, als stünde es unter Strom. Trotz seiner Bewusstlosigkeit schrie er auf, ein animalischer Laut.
Kelly löste sich aus der Umarmung des Professors und taumelte auf die Hängematte zu. »Frank!«
Der Schamane blickte sie an. Er murmelte etwas Unverständliches und machte ihr Platz.
Sie fasste ihren Bruder beim Arm. Franks Ausbruch war so kurz wie heftig gewesen. Er war bereits wieder erschlafft. Kelly war sicher, er sei tot. Hemmungslos schluchzend beugte sie sich über ihn.
Sein Brustkorb aber bewegte sich auf und ab, in tiefen, regelmäßigen Atemzügen.
Er lebte.
Erleichtert sank sie auf die Knie nieder. Der nackte Beinstummel befand sich unmittelbar vor ihren Augen. Auf das Schlimmste gefasst musterte sie die Wunde, das Verbandszeug in der Hand.
Doch das brauchte sie nicht mehr.
Dort, wo der Baumsaft das rohe Fleisch berührt hatte, bildete er eine dicke Versiegelung. Staunend berührte sie die eigenartige Substanz. Sie fühlte sich nicht klebrig an, sondern ledrig und zäh, wie ein natürlicher Verband. Sie blickte staunend zum Schamanen auf. Die Blutung war gestillt, die Wunde versiegelt.
»Die Yagga hat ihn für würdig befunden«, erklärte der Schamane. »Er wird gesund werden.«
Benommen richtete Kelly sich auf, während der Schamane das Wunder mit dem anderen Stumpf wiederholte. »Ich kann’s einfach nicht glauben«, flüsterte sie schließlich kaum hörbar.
Kouwe umarmte sie erneut. »Ich kenne fünfzehn verschiedene Pflanzen mit blutstillender Wirkung, aber keine davon ist auch nur annähernd so potent.«
Frank verkrampfte sich erneut, als das zweite Bein behandelt wurde.
Schließlich begutachtete der Schamane sein Werk, dann wandte er sich zu ihnen um. »Die Yagga wird ihn von nun an schützen«, erklärte er feierlich.
»Ich danke dir«, sagte Kelly.
Der kleine Indianer blickte sich zu ihrem Bruder um. »Er jetzt ein Ban-ali. Einer der Auserwählten.«
Kelly runzelte die Stirn.
Der Schamane fuhr fort: »Er muss Yagga fortan in jeder Weise dienen, und zwar für alle Zeit.« Mit diesen Worten wandte er sich ab – allerdings nicht ohne in Unheil kündendem Ton eine Bemerkung auf Yanomami zu machen.
Als er gegangen war, blickte Kelly Kouwe fragend an. Der Professor schüttelte den Kopf. »Ich habe bloß ein einziges Wort verstanden – ban-yi .«
»Und was bedeutet das?«
Kouwe sah Frank an. »Sklave.«

       
15
MEDIZINISCHE VERSORGUNG
    16. August, 11.43 Uhr
Krankenstation des Instar Institute Langley, Virginia
    Lauren war noch nie im Leben so verzweifelt gewesen. Ihre Enkelin ruhte inmitten von Kissen und Laken, ein kleines Wesen, das mit Überwachungsmonitoren und Infusionsbeuteln verkabelt war. Durch den Schutzanzug hindurch hörte Lauren das Piepen und Zischen der verschiedenen Geräte in dem langen, schmalen Raum. Die kleine Jessie war nicht mehr allein. Im Laufe des gestrigen Tages waren fünf weitere Kinder erkrankt.
    Und wie viele werden es noch werden? Lauren dachte an das Computermodell des Epidemiologen und die roten Punkte, die sich über die ganzen Vereinigten Staaten ausgebreitet hatten. Mittlerweile wurden auch Krankheitsfälle aus Kanada gemeldet. Sogar in Deutschland waren zwei Kinder erkrankt; sie hatten in Florida Urlaub

Weitere Kostenlose Bücher