Operation Amazonas
Ausbreitung von Krankheitserregern zu verhindern. Lauren trug einen einteiligen WegwerfQuarantäneanzug, der mit einer automatischen Atemmaske ausgerüstet war. Zunächst hatte sie sich geweigert, den Anzug anzulegen, da sie Jessie nicht noch weiter beunruhigen wollte. Da Schutzanzüge für die Krankenhausangestellten und alle Besucher jedoch Vorschrift waren, hatte sie sich schließlich fügen müssen.
Als Lauren im Schutzanzug ins Krankenzimmer getreten war, hatte Jessie sich tatsächlich erschreckt, doch als sie die durchsichtige Sichtscheibe bemerkte und Lauren besänftigend auf sie einsprach, hatte sie sich wieder beruhigt. Während man Jessie untersuchte, ihr Blut abnahm und Medikamente verabreichte, war Lauren bei ihr. Robust wie alle Kinder, schlief Jessie jetzt tief und fest.
Ein leises Zischen ertönte, als jemand den Raum betrat. Lauren wandte sich, behindert durch den Schutzanzug, schwerfällig um. Hinter der Sichtscheibe machte sie ein vertrautes Gesicht aus. Sie legte das Buch auf den Tisch und erhob sich. »Marshall.«
Ihr Mann schloss sie in die plastikumhüllten Arme. »Ich habe ihre Krankenakte gelesen, bevor ich hergekommen bin«, sagte er; seine Stimme klang ein wenig blechern und fern. »Das Fieber ist runtergegangen.«
»Ja, vor zwei Stunden.«
»Schon irgendwelche Neuigkeiten aus dem Labor?« Lauren hörte die Angst aus seiner Stimme heraus.
»Nein … Es ist noch zu früh, als dass man sagen könnte, ob sie sich angesteckt hat.« Solange der Erreger unbekannt war, gab es auch keinen Schnelltest. Zur Diagnose wurden drei Symptome herangezogen: Geschwüre im Mund, kleine Blutungen unter der Schleimhaut und eine dramatische Abnahme der weißen Blutkörperchen. Diese charakteristischen Symptome traten jedoch erst sechsunddreißig Stunden nach dem ersten Fieberschub auf. Bis dahin mussten sie warten. Es sei denn …
Lauren versuchte das Thema zu wechseln. »Was hat die Konferenzschaltung mit dem Seuchenzentrum und den Kabinettsmitgliedern ergeben?«
Marshall schüttelte den Kopf. »Reine Zeitverschwendung. Es wird noch Tage dauern, bis die Winkelzüge aufhören und ernsthafte Maßnahmen ergriffen werden. Die gute Nachricht ist, dass Blaine vom Seuchenzentrum meinen Vorschlag unterstützt, die Grenze von Florida zu schließen. Das wundert mich.«
»Sollte es aber nicht«, meinte Lauren. »Ich halte ihn ständig auf dem Laufenden, auch über die Vorgänge in Brasilien. Die Implikationen sind wirklich erschreckend.«
»Ja, du musst ihn ganz schön wachgerüttelt haben.« Er drückte ihr die Hand. »Danke.«
Lauren seufzte schwer, mit Blick aufs Bett.
»Warum gönnst du dir nicht eine Pause? Ich werde eine Weile auf Jessie aufpassen. Du solltest ein Nickerchen machen. Du warst die ganze Nacht auf.«
»Ich könnte jetzt eh nicht schlafen.«
Marshall legte ihr den Arm um die Hüfte. »Dann trink wenigstens einen Kaffee und iss etwas. Bald ist es Zeit für die mittägliche Konferenzschaltung mit Kelly und Frank.«
Lauren lehnte sich an ihn. »Was sollen wir Kelly sagen?«
»Die Wahrheit. Jessie hat Fieber, doch es besteht kein Grund zur Panik. Wir wissen noch nicht, ob sie sich angesteckt hat.«
Lauren nickte. Nach kurzem Schweigen geleitete Marshall sie behutsam zur Tür. »Geh.«
Lauren passierte die Schleuse und ging zu ihrem Spind, wo sie den Schutzanzug ablegte und den Kittel überstreifte. Als sie aus der Umkleidekabine trat, wurde sie von der Stationsschwester aufgehalten. Sie folgte ihr zum Schwesternzimmer. »Sind die Laborberichte schon da?«
Eine kleine Krankenschwester asiatischer Abstammung reichte ihr eine Plastikmappe. »Die wurden gerade eben gefaxt.«
Lauren klappte die Mappe auf und blätterte zu der Seite mit den Ergebnissen der Blutuntersuchung vor. Sämtliche Blutwerte waren wie erwartet normal. Dann hielt sie mit dem Finger an der Zeile mit dem Ergebnis der Zählung der weißen Blutkörperchen inne:
WB: 2130 (L) 6 000-15 000 Der Wert war niedrig, signifikant niedrig; einer der drei Hinweise auf eine Ansteckung.
Sie bewegte den zitternden Finger bis zu dem Teil des Berichts, der die verschiedenen Untergruppen der weißen Blutkörperchen behandelte. Der Epidemiologe des Teams, Dr. Alvisio, hatte sie gestern Abend auf eine Besonderheit der Labordaten aufmerksam gemacht, auf die er mit seinem Computermodell gestoßen war: eine ungewöhnliche Häufung einer bestimmten Untergruppe der weißen Blutkörperchen, der so genannten Basophilen, die in einem frühen Krankheitsstadium zu
Weitere Kostenlose Bücher