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Operation Beirut

Operation Beirut

Titel: Operation Beirut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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verlangte er die Akte über die Volksfront zur Befreiung Palästinas. Vielleicht war die PFLP der Möglichkeit einer amerikanischen Infiltration der Fatah nachgegangen. Levi verbrachte den Vormittag damit, Berichte von Agenten und Falloffizieren zu lesen. Mittags arbeitete er durch. Am späten Nachmittag dann, als er schon den Eindruck hatte, den hundertsten Aktendeckel dieses Tages zu öffnen, fiel etwas zu Boden, das ihm auf unheimliche Weise bekannt vorkam. Es war die codierte Nachricht, die damals in jenem mit dem Elefanten geschmückten Holzkästchen aus dem teuflischen Irrgarten des Souks von Damaskus gesteckt hatte. Man hatte die entschlüsselte und ins Hebräische übersetzte Version beigeheftet; er hatte sie noch nie zu Gesicht bekommen.
    Levi konnte fast nicht glauben, was er da las. Der geheime Nachrichtenbericht der PFLP schien zu bestätigen, dass die Untersuchungen Levis beide auf das gleiche Ziel hinausliefen. Der Operationschef des Schwarzen September und der amerikanische Infiltrationsagent innerhalb der Fatah schienen ein und dieselbe Person zu sein!
    Levi berichtete seinem Abteilungsleiter von diesem ersten Fund. «Machen Sie mal halblang», sagte der Chef. «Das ist zu spekulativ.»
    «Spekulativ?», fragte Levi und spürte den Knoten in seinem Magen, der ihm noch allzu gut bekannt war.
    «Und zu gefährlich, wenn Sie falschliegen. Schauen Sie sich noch etwas um!»
    Also ging Levi zurück zu seinen Akten. Er las sie ein weiteres Mal durch. Er fand noch weitere Einzelheiten. Dann, Anfang Juni, gab es eine alarmierende Entwicklung in diesem Fall. Aus Europa traf eine Nachricht ein – von einem befreundeten Beamten in Rom –, die so unmissverständlich und so offensichtlich war, dass sie Levis Vorgesetzte zwang, auf das zu hören, was er zu sagen hatte.
    Ende Juni 1972 hielt Levi seinen Vortrag über Jamal Ramlawi vor den Leitern des Nachrichtendienstes. Man traf sich nicht in den Büros im Zentrum der Stadt, sondern in einem moderneren Komplex auf einem Hügel über der Haifaer Straße, kurz vor der Abzweigung nach Herzliya. Auf dem Schild vor dem Eingang war zu lesen: «Verteidigungsministerium. Abteilung für Forschung».
    Die Gruppe wurde auf Hebräisch die
Rashai
genannt. Die Chefs. Das besagte genug.
    Levi wartete im Korridor vor dem Konferenzraum der Chefs darauf, dass diese einen anderen Punkt der Tagesordnung abschlossen. Er war nervös. Es war nicht die tiefe Furcht, die er kennengelernt hatte, als er in seiner Eigenschaft als Nachrichtenoffizier Operationen im Feindesland durchgeführt hatte. Es war eine Art von Schüchternheit. In Beirut war sein einzig wahres Gefühl die Angst gewesen. Jetzt musste Levi eine Rede in eigener Sache halten.
    Ein uniformierter Mitarbeiter öffnete die Tür und machte ihm Zeichen, hereinzukommen. Er war überrascht, wie hell der Raum war, voll vom Sonnenlicht des israelischen Hochsommers.
    Die Männer um den Konferenztisch waren wie Levi gekleidet, Hemden mit offenen Kragen und kurzen Ärmeln. Die meisten rauchten. Einige von ihnen waren kahlköpfig. Es hätte sich um ein Philosophie-Seminar an der Hebräischen Universität handeln können. Die Gesichter und der Raum hätten genauso ausgesehen.
    Levis Blick konzentrierte sich auf einen älteren Mann, der am anderen Ende des Tisches saß. Ein kleiner Mann mit buschigen Augenbrauen, der an einer Pfeife sog. Levi nahm an, dass er der Chef des Mossad sein musste. Levi war dem Chef noch nie begegnet und wusste noch nicht einmal, wie der Mann hieß.
    «Also?», fragte der Mann mit den buschigen Augenbrauen. Eine kurze, rein rhetorische Frage, die er sich sofort selbst beantwortete. «Dieser junge Mann ist also Herr Levi, und er ist heute zu uns gekommen, um uns von seinen Nachforschungen in Sachen Schwarzer September zu berichten. Ist das richtig?»
    «Ja», sagte Levi. Seine Stimme klang wie das Krächzen eines Frosches.
    «Also?»
    «Mein Vortrag befasst sich mit einem Palästinenser namens Jamal Ramlawi», begann Levi. «Zunächst möchte ich Ihnen sagen, was wir über ihn wissen. Dann möchte ich Ihnen erzählen, was wir vermuten.»
    «Ja, ja», sagte der kleine Mann mit den buschigen Augenbrauen. «Lassen Sie uns nicht warten.»
    «Jawohl, Chef», sagte Levi.
    «Nennen Sie mich nicht Chef», sagte der kleine Mann.
    «Ja, Sir», sagte Levi. Er muss der Chef des Geheimdienstes sein, dachte er sich. Genau so sollte der Kopf des Mossad aussehen. Wie jedermanns Onkel.
    «Zuerst das, was wir wissen», sagte Levi.

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