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Operation Beirut

Operation Beirut

Titel: Operation Beirut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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Selbstkontrolle und der knappen Sprechweise.
    Der Mann mit dem festgeknöpften Kragen kam als Erster auf ihn zu und schüttelte ihm die Hand.
    «Ich heiße Natan Porat», sagte der Mann mit der hellen Brille. «Ich bin der Chef des Nachrichtendienstes. Sie haben sich heute gut geschlagen. Machen Sie weiter so!»
    Er deutete auf den kleinen Mann mit den buschigen Augenbrauen.
    «Das hier ist mein Stellvertreter, Avraham Cohen», sagte Porat.
    «Sie haben einen netten Vortrag gehalten, Herr Levi», meinte Cohen.
    Porat nahm Levi zur Seite. Aus der Nähe betrachtet, sah er sogar noch amerikanischer aus. Er schwitzte nicht. Sein Haar war sauber geschnitten. Seine Sprechweise war knapp. Er gestikulierte nicht, während er sprach. Levi erschien er fast blutlos. Porat sah ihn mit seinen klaren Augen durch die Brille mit dem klaren Gestell an. Er sprach mit dem Akzent jener Einser-Schüler, die in der ganzen modernen Welt die Geheimdienste leiten.
    «Wir werden wegen dieses Ramlawi etwas unternehmen, das versichere ich Ihnen», sagte Porat. «Aber Sie müssen verstehen, dass es sich da um eine heikle Angelegenheit handelt. Es ist etwas peinlich, wenn man erfährt, dass ein amerikanischer Agent die Operation der führenden Terroristengruppe der Welt leitet.»

Kapitel 36 Tel Aviv; September 1972
    Levi saß an seinem Schreibtisch, als die ersten Berichte aus München eingingen. Acht palästinensische Terroristen waren im Morgengrauen des 5. September in das Olympische Dorf in München eingedrungen und hielten elf Israelis als Geiseln fest. Wie das übrige Israel auch verbrachte Levi den Rest des Tages vor dem Radio. Man konnte sich den Nachrichten nicht entziehen. Levi hatte einen Empfänger in seinem engen Büro. Ein weiterer stand in der Cafeteria. Selbst zwischen den ansonsten so stillen Regalreihen der Registratur lief das Radio. In jedem Bürogebäude und jedem Haushalt in ganz Israel war es genauso. Die Menschen ließen alles liegen und stehen und starrten auf das Radio und hörten die entsetzlichen Nachrichten aus Deutschland.
    Stündlich kamen die Verlautbarungen aus München. Es waren nicht elf Geiseln, sondern neun. Die Terroristen hatten zwei der israelischen Jungen getötet, als sie das Gebäude gestürmt hatten. Sie würden sämtliche Geiseln töten, so hieß es im Radio, falls Israel nicht 236 palästinensische Gefangene freiließ. Die Terroristen setzten das Ultimatum auf Mittag fest; dann ein Uhr, dann fünf Uhr, dann zehn Uhr abends. Sie verlangten drei Flugzeuge, die sie und ihre Geiseln in ein arabisches Land ausfliegen sollten. Die Deutschen waren einverstanden. Die Geiseln waren auf dem Weg zum Flughafen.
    Israel saß vor dem Radio und hörte betend zu. Die Leute gingen nach Hause, aßen zu Abend, lagen wach im Bett und hörten Nachrichten. Levi blieb im Büro. Kurz nach ein Uhr morgens kam die Ansage. Gott sei Dank! Alle neun israelischen Athleten waren befreit worden! Ein Sprecher der Bundesrepublik Deutschland verkündete, dass eine Befreiungsaktion geglückt war. Der israelische Premierminister, der wie alle anderen Radio hörte, öffnete eine Flasche Cognac, um zu feiern.
    Immer wieder brachte der Israelische Rundfunk die Meldung, dass alle Geiseln in Sicherheit waren, bis zum Sendeschluss um drei Uhr. Die Spätausgaben der israelischen Zeitungen brachten die wunderbare Botschaft in Riesenschlagzeilen. «Geiseln in München befreit» hieß es in der
Jerusalem Post
. «Alle in Sicherheit, nachdem Araber auf Militärflugplatz in deutsche Falle gingen». Am nächsten Morgen wachte Israel auf und hörte mit Entsetzen, was wirklich passiert war, als der Israelische Rundfunk um sechs Uhr morgens seine Sendungen mit der düsteren Meldung wiederaufnahm, in die früheren Berichte hätten sich irgendwie Fehler eingeschlichen. Ein deutscher Versuch, das Fluchtflugzeug zu stürmen, war fehlgeschlagen. Alle neun israelischen Athleten waren tot. In München hatte es ein Massaker gegeben.
    Levi war ebenso erschlagen wie jeder andere in Israel. Vielleicht sogar noch mehr, denn er hatte sich in den wenigen Monaten, die er wieder zu Hause war, gestattet, sich zu entspannen. Er hatte in diesen Monaten vergessen, was er jeden Tag, jede Minute, durchgemacht hatte, die er nicht in Israel gewesen war: das Gefühl der Verwundbarkeit, das Gefühl, jeden Augenblick von gnadenlosen Feinden getötet werden zu können, das Gefühl, dass einen die ganze Welt hasste – und immer hassen würde –, nur weil man Jude war. Diese

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