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Operation Beirut

Operation Beirut

Titel: Operation Beirut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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Bekaa-Tal, mussten einen Maroniten, einen Sunniten, einen griechischen Katholiken und einen Griechisch-Orthodoxen bestimmen. Ähnliche Vorschriften gaben auch in den übrigen Wahlkreisen des Landes den Ton an. Religiöse Diskriminierung wurde vom parlamentarischen System nicht nur geduldet; sie war obligatorisch.
    Das libanesische Wahlsystem vereinte das Sektierertum des Parlaments mit der zweiten großen politischen Tradition des Landes: der Korruption. Der Präsident wurde vom Parlament gewählt, nicht vom Volk, was bedeutete, dass alle sechs Jahre eine wahre Bestechungsorgie über die Bühne ging, wenn die eifrigen Parlamentsabgeordneten ihre Stimmen für die Präsidentenwahl meistbietend versteigerten. Was die Wahl von 1970 so unheilvoll erscheinen ließ, war der Umstand, dass in jenem Jahr die beliebtesten Bestechungsmittel in Waffen- und Munitionslieferungen für die illegalen Milizen bestanden, die überall im Land wie Pilze aus dem Boden schossen.
     
    Rogers verbrachte einige träge Wochen im Büro und beschäftigte sich mit Routinearbeiten. Aufgaben, die er sonst ignoriert oder delegiert hatte, schienen ihn jetzt ganz und gar in Anspruch zu nehmen. Jeden Morgen traf er schon früh ein und las den Depeschenverkehr mit Washington der vergangenen Nacht; eine langweilige und unbefriedigende Tätigkeit. Er verbrachte Stunden damit, die Berichte der Agenten durchzugehen, die unter seiner Oberaufsicht standen. Die Überwachungslisten und Beschattungsberichte der Station sah er gar zweimal durch. Wenn ihn jemand gefragt hätte, ob ihn etwas bedrückte, dann hätte er eine solche Unterstellung glattweg von sich gewiesen.
    Zu Hause war er unruhig und ungehalten, selbst seinem Sohn gegenüber. Das wilde Herumtoben oder Ballspielen mit dem Kleinen, was Rogers sonst genoss, bereitete ihm jetzt Kopfschmerzen. Wenn Mark ihn jetzt testete, ob er auch wusste, wer die libanesische Fußballliga anführte, antwortete Rogers teilnahmslos: «Ich weiß es nicht.»
    Rogers ging unmittelbar nach dem Essen in sein Arbeitszimmer, um zu lesen. Aber wenn die Tür sich hinter ihm geschlossen hatte, stellte er oft fest, dass seine Energien bestenfalls für Zeitungen und Magazine ausreichten. Depressionen waren für Rogers etwas Neues, und deshalb brachte ihn die Begegnung mit einer solchen völlig aus dem Konzept. Seine bisherige Laufbahn hatte ihn nicht auf einen Misserfolg vorbereitet.
    Jane Rogers, die ihren Mann noch nie in einer derart anhaltenden Melancholie erlebt hatte, hatte nicht die geringste Ahnung, wie sie darauf reagieren sollte. Wenn sie bei Cocktails zusammensaßen, wartete sie für gewöhnlich darauf, dass von ihm der zündende Funke kam, dass er über eine kleine Begebenheit aus seiner Arbeit sprach oder etwas, was er auf dem Nachhauseweg gesehen hatte, oder über einen Ausflug, den sie alle zusammen aufs Land unternehmen würden, oder darauf, dass die Konversation sonst irgendwie aufflackerte. Aber der Funke kam nicht, und so saß Jane schweigend da, ihr Glas in der Hand, und fragte sich, was wohl nicht stimmte. Sie fragte ihn natürlich nicht danach. Das wäre gegen die Regeln gewesen.
    Jane versuchte schließlich verschiedene Taktiken, um ihren Mann aus seiner grauen Stimmung zu reißen. Sie begann von sich aus Konversation mit ihm zu machen, plauderte mit ihm über Theater und Romane und die neuesten Nachrichten der Damen aus Smith’s Lebensmittelladen. Sie experimentierte in der Küche, bereitete raffinierte libanesische Mahlzeiten mit Knoblauch und Joghurt zu. Sie kaufte sich sogar einen Sexratgeber in einer Buchhandlung in der Rue Hamra und holte ihren Mann eines Abends in einem Regenmantel von der Arbeit ab, unter dem sie absolut nichts anhatte. Im Auto auf dem Nachhauseweg öffnete sie den Gürtel des Regenmantels und ließ ihn gerade so weit aufklaffen, dass die Wölbungen ihrer Brüste und Oberschenkel sichtbar wurden. In dieser Nacht liebten sie sich stürmisch, begannen bereits im Treppenhaus damit, noch bevor sie in ihrer Wohnung waren, und Jane dachte, sie hätte eine Kur gefunden.
    Aber am nächsten Morgen kehrten die Leere und das Gefühl, versagt zu haben, wieder in Rogers zurück. Jane wünschte sich, er wäre nicht so höflich und würde sein Unglück endlich herausschreien. Aber auch das wäre gegen die Regeln gewesen.
    Was Rogers in diesen Wochen vor der völligen Verzweiflung bewahrte, war seine Tochter Amy. Ihre Gesundheit beschäftigte ihn mehr als alles andere. Er ging mit ihr zum Arzt, maß

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