Operation Beirut
Teilnahmslosigkeit. Um die Wahrheit zu sagen, sein Gespräch über Jamal hatte ihn nur noch unglücklicher darüber werden lassen, dass seine Rolle in der Operation mit einem Fehlschlag geendet hatte. Hoffman, der mit angesehen hatte, wie Rogers’ Melancholie von Tag zu Tag wuchs, stellte schließlich fest, dass es ihm reichte. In dieser Station gab es nur Platz für
eine
Primadonna, und dieser Posten war bereits von ihm selbst besetzt. Eines Nachmittags Ende Juni ließ der Stationschef Rogers zu sich ins Büro kommen.
«Setzen Sie sich, mein Junge», sagte Hoffman, als Rogers hereinkam. «Hören Sie mir jetzt genau zu, denn ich werde Ihnen jetzt drei wichtige Worte sagen, die in Ihrer Laufbahn noch eine große Rolle spielen werden.»
«Jawohl, Sir», sagte Rogers gehorsam.
«Illegitimi non carborundum», zitierte Hoffman einen lateinischen Satz.
«Was?», fragte Rogers.
«Illegitimi non carborundum», wiederholte Hoffman. «Das sind die drei Worte.»
«Und was bedeuten sie?», fragte Rogers.
«Sie bedeuten: ‹Lass dich von den Mistkerlen nicht unterkriegen!›»
«Wo haben Sie das gelernt?», fragte Rogers und nahm sich etwas zusammen.
«In Harvard», sagte Hoffman.
«Harvard?», sagte Rogers und setzte sich kerzengerade auf seinen Stuhl. «Ich wusste nicht, dass Sie in Harvard waren.»
«War ich auch nicht», sagte Hoffman. «Ich war in Holy Cross. Aber wir haben gegen Harvard Football gespielt.»
«Und?»
«Und ich habe mir angewöhnt, immer wenn wir in Cambridge gespielt haben, der Kapelle der Harvard-Leute zuzuhören. Sie waren schließlich die ganz Gescheiten, und sie sangen auf Lateinisch, bloß um aller Welt zu zeigen, wie gescheit sie waren. Wenn alle anderen sangen: ‹Zehntausend Mann aus Harvard›, dann sangen sie ihre lateinische Nummer: ‹Illegitimi non carborundum.› Wollen Sie, dass ich es Ihnen vorsinge?»
«Nein danke», sagte Rogers.
Hoffman begann aber trotzdem, wippte mit seinem großen Kopf, bis Rogers schließlich ein Lächeln auf die Lippen kroch. «Gaudeamus igitur», sang Hoffman aus Leibeskräften. «Veritas, non sequitur!» Mit den Händen fuchtelte er wild in der Luft wie ein Dirigent.
«Illegitimi non carborundum. Ipso facto!» Als er fertig war, verbeugte er sich leicht in Rogers’ Richtung.
«Nicht schlecht», meinte Rogers.
«Lass dich von den Mistkerlen nicht unterkriegen», wiederholte Hoffman.
Es folgte ein kurzes stummes Zwischenspiel. Hoffman nahm die Melodie dann wieder auf und summte sotto voce.
«Gottverdammt nochmal!», sagte Rogers mit einem Mal und erhob seine Stimme; endlich erlaubte er sich, auf irgendetwas wütend zu werden, in diesem Augenblick auf Hoffmans gnadenlos gute Laune.
«Was passt Ihnen denn nicht?», fragte Hoffman.
«Was mir nicht passt?»
«Korrekt», sagte Hoffman. «Ihnen.»
«Ist das nicht offensichtlich?», antwortete Rogers. «Die versuchen mir meinen Fall wegzunehmen!»
«Mein Junge, die
versuchen
das nicht», sagte Hoffman. «Die
sind schon dabei
, Ihnen Ihren Fall wegzunehmen. Das ist schon passé. Aus. Vorbei. Kaputt. Also werden Sie endlich gescheit und hören Sie auf, sich selber leidzutun.»
«Danke», murmelte Rogers. «Das hilft mir wirklich sehr.»
«Es könnte schlimmer sein, mein Junge. Die hätten Sie auch feuern können.»
«Das hätten sie wahrscheinlich auch tun sollen», sagte Rogers. «Ich habe sie im Stich gelassen – vor allem Stone.»
«Vergessen Sie Stone.»
«Er hat versucht mir zu helfen. Als ich vor einigen Monaten nach Washington ging, nahm er mich zum Abendessen in seinen Club mit und hielt mir einen langen Vortrag über Kontrolle und Selbstkontrolle. Er hatte ganz recht.»
«Haben Sie gesagt, er hat Ihnen einen Vortrag über Selbstkontrolle gehalten?»
«Ja.»
«In diesem kleinen Vortrag hat er Ihnen nicht zufällig seine kleine Geschichte über den ‹C› der Briten erzählt, oder? Wie der sich mit einem Taschenmesser das Bein abgesäbelt hat, was?»
«Genau, das hat er getan», sagte Rogers. «Was ist damit?»
«Großer Gott im Himmel!»
«Was ist los?»
«Nichts», sagte Hoffman. «Außer dass die ganze Geschichte von vorne bis hinten Bockmist ist.»
«Tatsächlich?»
«Jawoll! ‹C› hat sein Bein bei einem Autounfall verloren, das stimmt, aber er hat es sich nicht selber abgeschnitten. Diese Legende verbreiten die Briten jetzt schon seit fünfzig Jahren. Stone erzählt sie jedem! Es ist seine Lieblingsgeschichte. Aber wahr ist sie trotzdem nicht. Also kapieren Sie
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