Operation Cyborg
seinem Sichtfeld verschwunden war. Seine Augen blickten kalt und sein Gesicht war versteinert. Er setzte sich wieder auf die Bank der Sitzgruppe und goß sich neuen Kaffee ein, trank aber nichts davon. Fast eine halbe Stunde saß er so da und starrte regungslos vor sich hin. Nur gelegentlich wanderte sein Blick auf die Uhr an der Wand über der Sitzgruppe. Schließlich schüttelte er unmerklich den Kopf und atmete tief ein. Er griff in seine Tasche und zog sein Handy heraus. Es war nach wie vor ausgeschaltet. Er schaltete es ein, dann wählte er eine Nummer aus dem Kurzwahlspeicher.
»Gut daß ich Sie erreiche, Stefan. Wir haben uns in der Florinskirche gestern wohl verpaßt. Sie waren mal wieder zu spät, was? Na, sei's drum. Hauptsache Sie und Ihre Frau haben die Autopanne gut überstanden. Es geht euch beiden doch gut, oder?«, fragte Krieger und während er die Antwort vernahm, nickte er leicht.
»Wissen Sie, zum ersten Mal bin ich froh über Ihre Unpünktlichkeit, sonst hätte der Irre auch noch auf Sie geschossen. Ob Sie es glauben oder nicht, aber so ein Typ hat in der Florinskirche um sich geballert. Dann kamen zwei dubiose Gestalten und haben mich förmlich entführt und der Irre war die ganze Zeit hinter uns her, aber wir konnten ihn abschütteln ... sozusagen. Die beiden haben mir dann vielleicht einen Mumpitz erzählt. Unglaublich. Aber das ist jetzt nicht so wichtig. Wir müssen uns treffen.«
»Was? Nein, nicht im Amt! Bloß nicht dort. Wir werden uns wo anders treffen. Und zwar dort, wo ich Ihnen unbedingt noch etwas zeigen muß. Etwas das mit THOR zusammenhängt. Wir treffen uns in genau einer Stunde in der alten Anlage – BW-EBS. Ich werde dort auf Sie warten. Seien Sie diesmal aber bitte ausnahmsweise pünktlich, okay?«
»Ja, ich sage Ihnen, wo Sie hinkommen müssen und wie Sie reinkommen. Also hören Sie zu.«
Nachdem Krieger seinem Gesprächspartner alles ausführlich beschrieben hatte legte er auf. Dann holte er erneut tief Luft und wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. Hoffentlich hatte er das Richtige getan. Ein weiteres Mal blickte er auf sein Handy. Er schaltete es aus und öffnete den Akkudeckel. Er entfernte den Akku, tauschte die SIM-Karte gegen eine andere aus und legte den Akku wieder ein. Er startete das Handy erneut. Nachdem es hochgefahren war, tippte er eine SMS und vergewisserte sich, daß sie auch wirklich verschickt war. Dann steckte er das Handy zurück in die Brusttasche seines Hemdes und wartete.
*
Dimitri bemerkte die beiden Personen sofort, wie sie in Richtung des schwarzen Golfs liefen. In einer von ihnen erkannte er die junge Frau von gestern Nacht. Er war sich jetzt sicher, daß es sich um das Mädchen aus der Bank handelte. Die andere Person konnte er nicht identifizieren. Nach Größe und Gangart zu urteilen mußte es ein Mann sein. Er hatte die Kapuze seines Pullovers tief ins Gesicht gezogen und eine Sonnenbrille auf.
Ob das dieser Severin ist? Dimitri überlegte, sofort zuzuschlagen, entschied sich aber dann, sich besser an die Anweisungen und den Plan zu halten.
Die beiden stiegen ein. Der Motor röhrte auf und der Wagen setzte zurück aus der Parklücke. Dimitri duckte sich tief in den Sitz, so daß er von außen nicht mehr zu sehen war. Gleichzeitig wählte er auf seinem Handy eine Nummer.
»Die Zielperson ist gerade eingestiegen. Es ist noch jemand bei ihr. Ein Mann, wie es aussieht«, sprach er leise in den Hörer, auch wenn er wußte, daß ihn außerhalb seines Fahrzeugs sowieso niemand gehört hätte.
»Was ist mit den anderen?«, fragte er in den Hörer. »Erst in zwei Stunden? Verdammt«, entfuhr es ihm. »Nein, kein Problem. Ich bleibe dran. Sobald ich weiß, wohin die unterwegs sind, melde ich mich wieder«, Dimitri beendete das Gespräch und richtete sich aus seiner unbequemen Stellung auf. Der Golf war längst verschwunden. Dimitri streckte sich und in seinen Schulterblättern knackte es. Er hatte eine ungemütliche Nacht verbracht, aber wenigstens war es nicht kalt gewesen. Er fischte ein kleines Gerät aus der Innentasche seines Jacketts und schaltete es ein. Es meldete seine Funktionsbereitschaft mit einem Piepston und Dimitri brachte es an einer Halterung am Armaturenbrett des Wagens an. Dann startete er sein Fahrzeug und wendete vorsichtig den großen Wagen in der kleinen Straße. In angemessenem Tempo fuhr er den Schartwiesenweg hinauf. Er hatte es nicht sonderlich eilig. Er verließ sich ganz auf das kleinen Gerät, das auf
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