Operation Genesis (Ein Delta-Team-Thriller) (German Edition)

Die kurz geschnittenen braunen Haare lichteten sich zwar ein wenig, doch sein schiefes Lächeln brachte die Herzen der akkreditierten Journalistinnen immer noch zum Schmelzen und zierte die Titelblätter sehr unpräsidentschaftlicher Magazine. Es wurde spekuliert, dass sein Aussehen ihm die Stimmenmehrheit der weiblichen Bevölkerung gebracht und damit das Vorurteil widerlegt hätte, dass ein unverheirateter Mann niemals Präsident werden könne. Er war ein moderner amerikanischer Held im besten Alter, eine Bank für die nächsten Wahlen.
    Doch daran dachte er an diesem Sommertag nicht. Schon Roosevelt, Bush jr. und gelegentlich Clinton waren auf dem malerischen Pfad durch den Wald, der sich um Camp David herumzog, gerne spazieren gegangen, doch keiner von ihnen war durch die Landschaft gestürmt wie ein Mann, der eine Mission hatte. Die Atmosphäre gefiel Duncan. Unter dem dichten Laubdach roch der Wald erdig nach Feuchtigkeit und verwelkenden Blättern. Es war ein wenig drückend, doch hier in den Bergen, sechshundert Meter über Meereshöhe, kam es einem im Vergleich zu der fast tropischen Schwüle von Washington richtig frisch vor.
    Er würde zwei Wochen lang seinen Stab und ausländische Staatsoberhäupter bewirten und zum Schluss letzte Hand an einen Friedensvertrag für Palästina und Israel legen. Doch die nächsten drei Tage waren ausschließlichder Entspannung gewidmet. Den Kopf freibekommen, vielleicht ein Buch lesen. Wie es hieß, war Ice Station von Matthew Reilly eine höchst spannende, actiongeladene Story, die ihm gefallen könnte.
    Seine Gedanken glitten zu weiteren erfreulichen Dingen. Bei seinem Amtsantritt hatte er das Land auf harte Schläge gegen den Terrorismus eingestimmt. Aber er hatte nicht vorgehabt, mit stumpfen Waffen zu kämpfen. Keine Einmärsche in fremde Länder. Keine unschuldigen Opfer. Und schon gar keine Schlagzeilen. Stattdessen setzte er chirurgische Teams ein, die terroristische Organisationen vorsichtig entfernen sollten wie Krebsgeschwüre aus einem Körper – mit brutaler Effizienz.
    Bisher hatte sich vor allem das Schachteam dabei hervorgetan. Gestern hatte es einen weiteren lautlosen Sieg errungen. Und die Welt glaubte, eine Bande von Piraten hätte wieder einmal einen Frachter angegriffen und wäre von einem chinesischen Zerstörer getötet worden. Duncan freute sich darauf, Jack Sigler und seinem Schachteam endlich persönlich gegenüberzutreten. Deep Blue würde – kaum überraschend – an dem Treffen nicht teilnehmen. Seine Identität musste im Dunkeln bleiben, um den Erfolg nicht zu gefährden.
    Mit oder ohne Deep Blue, nach Duncans Meinung wurde es höchste Zeit, dass das Delta-Team, das seiner Präsidentschaft zur Blüte verholfen hatte, für seinen Einsatz die entsprechende Anerkennung bekam. Eigenartigerweise legte King keinen Wert auf Orden. Keiner aus dem Team. Sie behaupteten, nicht an solche Dinge zu glauben. Sie wünschten sich lediglich ein Barbecue mit dem Präsidenten … also sollte es so sein. Und Duncan war fest entschlossen, das beste gottverdammte Barbecue zu veranstalten, das das Schachteam je erlebt hatte. OhneSpitzenköche oder eine Cateringfirma. Viel besser. Er hatte einen neuen, professionellen Lynx-Grill installieren lassen, die besten und frischsten Fleischstücke für den Nachmittag geordert und reichliche Mengen vom Lieblingsbier des Teams eingelagert – Sam Adams. Und er ließ einen unübertrefflichen Grillmeister einfliegen – seinen eigenen Bruder Greg.
    Duncan freute sich darauf, King und seine Mannschaft kennenzulernen, die so viel für das Land getan hatten. Lächelnd und schon wieder ein wenig entspannter lief er weiter. Er konnte es kaum erwarten, aus erster Hand von ihren Abenteuern zu hören.
    Er kam um eine Wegbiegung und bewunderte das hellgrün leuchtende Laub der Ahornbäume, die den Pfad säumten. Durch die Blätter sah er den azurblauen Himmel und die strahlende Sonne. Dabei fiel ihm sein Traum von letzter Nacht wieder ein, der einzige kleine Wermutstropfen an diesem ansonsten makellosen Tag. Er hatte geträumt, durch den Dschungel gehetzt zu werden – gejagt wie ein wildes Tier. Aus der Vogelperspektive sah er sein Kind-Ich vor schemenhaften, kreischenden und heulenden Gestalten davonlaufen. Dann war er plötzlich der Junge, keuchend, in Panik, die Füße wie in zähem Schlamm steckend. Bevor er mit einem Schrei aufgewacht war, der den bewaffneten Sicherheitsbeamten vor der Tür auf den Plan rief, sah er noch