Operation Glueckskeks
überhaupt nicht!« Sätze, die mir auch nach halbstündigem Waterboarding nicht über die Lippen kommen würden, aus Angst, mich zu blamieren.
Doch damit ist jetzt Schluss. Und das verdanke ich? Zwei Künstlern. Vitaly Komar und Alexander Melamid. Die beiden Russen haben per Mail Leute befragt, was für Bilder sie mögen und was darauf zu sehen sein sollte. Mehrere tausend Menschen in Amerika, Island, Frankreich, Russland, Deutschland erklärten, am liebsten mögen sie, tatatataaa: Landschaftsbilder. Ein Baum, ein See, ein Berg. Fertig.
Ich trage einen schwarzen Cordanzug und meine Hornbrille. Ich sehe unheimlich klug und unheimlich behämmert aus.
Nächste Woche werde ich mit Silke wieder zu einer Ausstellung gehen. Und ich werde mich mordsmäßig amüsieren, ich werde Weißwein trinken wie ein Gulli und zu Madonna tanzen, denn ich weiß, dass ich nicht der Einzige bin, der heimlich auf Gemüsetürken-Gebirge steht, ich werde mich beschwipst auf vibrierende Gummimatten setzen, wenn mir danach ist. Ich werde tanzen, bis der dicke weiße Pierrot-Mond aufgeht. Und wenn ich auf dem Nachhauseweg einem Pferd begegne? Dann kraul ich ihm die Nase.
Amore molto bekloppte: Einseitig verliebt in Italien
D er italienische Kellner, der eben noch neben mir gestanden hatte, hockte am Boden. Er hatte das Tischtuch mit sich gerissen, einen Stuhl so stark gegen die Wand geworfen, dass eines der vier Beine zersplittert war, eine Flasche Weißwein lag zerbrochen neben ihm. Der Kellner blickte zum grün und blau leuchtenden Fernseher, der in der Ecke des italienischen Restaurants in Berlin Mitte stand. Juni 2010: Italien war gerade in der Vorrunde aus der Fußball-WM ausgeschieden, ohne auch nur ein einziges Spiel gewonnen zu haben. Noch einmal holte der am Boden liegende Kellner Luft, dann streckte er seine Arme Richtung Fernseher wie ein wütender Dirigent und schrie folgende Worte, die auf Italienisch zwar opernhafter klingen, die ich hier aber der Verständlichkeit halber ins Deutsche übersetze: »Diese Mannschaft ist eine Bande von Transvestiten! Von Hurensöhnen und Scheißidioten und dem Analverkehr nicht abgeneigten Prostituierten! Schweinemisere! Scheiße! Schwanz! Scheiße! Schwanz!«
Ich bin das, was mein Freund Stefano einen italiengeilen Deutschen nennt: einer dieser Typen, die einfach alles zwischen Mailand und Palermo lieben. Stefano ist ein in Deutschland geborener Italiener, mit dem ich genauso stark befreundet
bin, wie ich ihm mit meiner Italienliebe auf die Nerven gehe. Ich sage zur Begrüßung gern »Ciao, come stai, Steeeefano?«, »Hallo, wie geht es, Steeeefano?«, wobei ich gerne ein bisschen italienische Dialektversuche beimische, was ihm jedes Mal unfassbar auf den Zeiger geht. Und worauf er deshalb immer mit einem »Ciao Stronzo!« antwortet. Das bedeutet so viel wie: »Hallo Kackhaufen.« Ich fühle mich immer geschmeichelt.
Wenn Sie einmal in einer Eisdiele stehen, und der Typ vor Ihnen nötigt dem Mann an der Gefriertruhe ein mehrminütiges Gespräch bestehend aus Speisekartenitalienisch auf, dann können Sie sich sicher sein - ich bin es. Der Kerl, der im italienischen Restaurant »Due Espressi!« Richtung Bar ruft, als sei er der Don von Positano. Exakt. Ich. Die Kellner gucken dann meist kurz zu ihrem Chef und nicken, während um den Mund so ein Ausdruck spielt, als hätten sie in eine unaufgetaute Tiefkühlpizza gebissen.
Va bene , jetzt hat es auch der Letzte begriffen: Ich liebe Italien. Und zwar alles aus Italien. Ich liebe italienisches Waschmittel, italienische Motorroller, das Essen, das Wetter, die rosafarbenen Sportzeitungen, die ich mir im Urlaub fachmännisch unter den Arm klemme, ohne sie je zu lesen, die Autobahnen, krakeelende Mütter und noch lauter krakeelende dicke Kinder, die mit Beton zugegossenen Strandpromenaden in Kalabrien, die so hässlich sind, dass man sie eigentlich bombardieren müsste, die grotesken Frisuren der Teenager, die wie Zuhälter aussehen, die Rockstarsonnenbrillen,
die klebrigen Schlager im Radio, die Heiligenbildchen in katholischen Kirchen. Und ich liebe fluchende Italiener.
Stefano glaubt, dass die Deutschen so auf Italien stehen, weil dort alles erlaubt scheint, was in Deutschland als doof oder zumindest unerwachsen gilt: amoklaufender Körperkult, das Lob der schönen Oberfläche, Machismo, die ganz große Pose. »Deine Italiengeilheit, das ist genau die Sorte Begeisterung, die ein Kolonialherr gegenüber einem von Cholera befallenen Stamm in
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