Operation Overkill
Invasionsstreitkräfte von einer Hand voll Truppen besiegt werden könnten, die lediglich mit Haubitzen und ein paar Raketen bewaffnet waren.
Dass die Waffe nur taktischen Zwecken diente und deshalb nur eingesetzt werden würde, um Russen zu töten, wenn sie mit ihren schweren Kampfpanzern in Europa einfielen, hielt man für unwesentlich. Die Amerikaner verzichteten schließlich auf die Stationierung der Waffe, lagerten sie aber in den USA ein, um sie einzusetzen, falls es hier drüben zu Feindseligkeiten kommen sollte.«
»Und die Russen? Haben die welche gebaut?«
Hillsworth nickte. »Natürlich. In den achtziger Jahren gaben sie bekannt, dass sie Neutronenwaffen gebaut und getestet hätten. Wie der derzeitige Stand der Dinge ist, weiß ich nicht, aber ich nehme doch stark an, dass in jüngster Zeit irgendwo in Russland eine neue Art Neutronenbombe getestet wurde.«
»Wie kommen Sie darauf, Professor?«, fragte Richter und beugte sich leicht vor.
»Weil Sie hier sind, auf meinem Sessel sitzen, meinen Kaffee trinken, meine Kekse essen und mir einen Haufen Lügen auftischen, mir weismachen wollen, dass die Amerikaner eine Superbombe gebaut haben.«
»Ach ja?«, sagte Richter.
372
Der Professor lächelte. »Ich bin kein Trottel, Mr.
Richter. Ich weiß über die angloamerikanische Kooperation bei Verteidigungsprojekten Bescheid – unter anderem bin ich Mitglied in einem der Planungsaus-schüsse –, und wenn unsere Cousins auf der anderen Seite des großen Teichs eine neue Waffe entwickeln würden, wüsste ich garantiert etwas davon. Da dies nicht der Fall ist, haben vermutlich die Russen eine gebaut. QED.«
»Ah«, sagte Richter und trank seinen Kaffee aus.
Wenn man mit zweiunddreißig Professor wird, was Hillsworth geschafft hatte, muss man ein ziemlicher Schlauberger sein, dachte er. Aber er hatte nicht damit gerechnet, dass er so schlau war. »Ich möchte das weder bestätigen noch dementieren –«, setzte Richter im besten Beamtenton an, aber Hillsworth unterbrach ihn.
»Lassen Sie mich den Satz zu Ende bringen«, sagte er. »Ich habe genug gehört. Kurzum, Sie sind weder bereit, Ihre Informationsquelle noch den Inhalt dieser Information zu nennen, und Sie würden, wenn man in Sie dringt, nicht einmal zugeben, dass es diese Information gibt. Richtig?« Richter nickte. »Sie haben also eine Geschichte gehört oder irgendeinen Bericht gesehen und möchten von unabhängiger Seite eine Meinung dazu hören.«
»Ja.«
Hillsworth schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, warum Sie das nicht gleich gesagt haben, statt um den heißen Brei herumzureden und sich eine ziemlich 373
langweilige Lektion über die Grundlagen der Kern-waffentechnologie anzuhören. Ich nehme an, Sie und Ihresgleichen genießen Ihre Mantel- und Degenspiel-chen.«
Richter nickte erneut, wenn auch etwas verlegen.
»Wir bleiben gern in Übung, Professor«, sagte er.
»Okay, das wäre geklärt. Wäre es möglich, dass die Russen eine strategische Neutronenbombe entwickelt haben?«
»Möglich ist alles, nehme ich an«, erwiderte Hillsworth. »Aber selbst wenn sie eine solche Waffe entwickelt haben sollten und ihre Streitkräfte damit aufrüsten wollen, hätte die Sache natürlich einen Haken.«
»Aha«, setzte Richter nach. »Inwiefern?«
»Nun, wenn dem so sein sollte, wären die Russen fortan bei jedem nuklearen Schlagabtausch entschieden im Nachteil. Aber«, fügte Hillsworth hinzu, »es gibt drei weitere Aspekte, die für Ihre Nachforschungen von Bedeutung sein könnten. Erstens, sagt Ihnen der Name Sam Cohen irgendwas? Zweitens, inwieweit wissen Sie darüber Bescheid, dass die Amerikaner von den Russen waffenfähiges Plutonium aufkaufen? Und drittens, haben Sie schon mal etwas von rotem Quecksilber gehört?«
Hammersmith, London
Richter war kurz nach halb sieben wieder in Hammersmith, stellte den Escort in der Tiefgarage ab, 374
meldete sich beim Offizier vom Dienst und begab sich sofort zu Simpson. Simpson saß an seinem Schreibtisch und studierte eine Akte, die er zuschlug, als Richter hereinkam.
»Nun?«, erkundigte er sich.
Richter ließ sich auf den Stuhl vor dem Schreibtisch sinken. »Folgendermaßen sieht es aus«, sagte er und berichtete, was ihm der Professor mitgeteilt hatte.
GRU-Zentrale (Das »Aquarium«), Flugplatz Chodin-
ka, Moskau
Seit dem Ende des Kalten Krieges ist die Anzahl der russischen Aufklärungssatelliten deutlich zurückgegangen, aber etliche sind noch im Einsatz, alle vom Direktorat für
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