Operation Overkill
Truschenko hatte auch von Anfang an eine satte Provision abgezweigt, und auf seinen Bankkonten – drei in der Schweiz und zwei in Österreich, da er seit jeher der Meinung war, dass man sein Vermögen möglichst aufteilen sollte – lag genügend Geld, um ihm ein angenehmes und sorgloses Leben zu ermöglichen.
Er hatte die letzte Phase von Operation Podstawa sorgfältig und lange im Voraus geplant. Die Datscha , die er für zehn Tage gemietet hatte, war groß und ge-räumig. Sie stand an der Westküste der Halbinsel Krim und bot einen faszinierenden Blick über die Karkinitskij Saliw, die südöstlich von Odessa gelegene Karkinit-Bucht. Ein idealer Ort, an dem er abwarten und ausharren konnte, bis die letzte Waffe in Stellung gebracht war.
Er hatte damit gerechnet, dass die Amerikaner oder jemand anders früher oder später entdecken würden, dass irgendetwas im Schwange war – tatsächlich hatte 470
es ziemlich lange gedauert –, da die Vorbereitungen in der Endphase des Unternehmens immer umfangreicher geworden waren. Außerdem hatte man mehr Leute einweihen müssen, wodurch auch die Gefahr stieg, dass etwas nach draußen durchsickerte, sei es zufällig oder mit Absicht. Im Nachhinein fragte er sich, ob er nicht auf den Waffentest in der Tundra hät-te verzichten sollen. Andererseits aber war er der Meinung gewesen – und er war es nach wie vor –, dass der letzte Test notwendig war, und sei es auch nur zur Bestätigung, dass die Zündung per Satellit funktionierte.
Truschenko trug ein Tablett mit einer von ihm ge-kochten Soljanka – Fleischsuppe mit Tomaten, Gurken, Oliven, Zwiebeln, Kapern, Zitronen und saurer Sahne
– und zwei Scheiben Schwarzbrot ins Wohnzimmer.
Obwohl er sich sein Essen nur selten selbst zubereite-te, war er ein guter Koch, und seit seiner Ankunft auf der Krim hatte er diesem Hobby oft gefrönt.
Er brachte das Tablett zu einem Beistelltisch und goss sich ein Glas Wodka ein. Dann ließ er sich in einen bequemen Sessel sinken und blickte durch das große Fenster über das abschüssige Grundstück der Datscha und den kleinen Bootsanleger hinweg zu den Lichtern von Port-Chorly und Perekop, die sich in der Ferne abzeichneten. Er fragte sich, wie viel die Amerikaner wussten, welche Schlussfolgerungen sie daraus gezogen hatten und was sie unternehmen würden. Irgendwann würden sie sich vermutlich an den Kreml wenden, und dann ging der Spaß erst richtig los, 471
wenn sie erfuhren, dass man dort noch weniger wusste als sie. Er lächelte in der einsetzenden Dämmerung vor sich hin.
Die Spur, die er in Moskau mit Bedacht gelegt hatte, führte direkt nach St. Petersburg, und niemand würde darauf kommen, dass er auf die Krim gefahren war.
Von seiner Datscha aus konnte er die letzten Phasen von Operation Podstawa leiten, ohne jede Gefahr. Und er bezweifelte, dass es nach der Demonstration in Gibraltar noch irgendwelche Schwierigkeiten mit den Amerikanern oder jemand anderem geben würde. Eines allerdings bedauerte er aus persönlichen Gründen
– Gennadi fehlte ihm, und ihre wöchentlichen Begeg-nungen. Andererseits aber war es wichtig, dass er einen vertrauenswürdigen Freund in Moskau hatte, der die Verbindung mit dem Schiff aufrechterhielt, und Truschenko hatte zu niemandem so tiefes Vertrauen wie zu Gennadi Arkenko.
»Gennadi«, seufzte Truschenko und hob sein Glas.
»Du fehlst mir, mein Freund.«
Dann besserte sich seine Laune, und er nahm sich vor, eines der Videos aus der Lubjanka anzuschauen, die er mitgenommen hatte. Vielleicht das mit dem Deutschen – obwohl das ziemlich lang war – oder das mit dem Georgier. Ja, dachte Truschenko, den Georgier, und spürte, wie ihn die Erregung packte.
472
Wroclaw (Breslau), Polen
Am frühen Abend, als sich der Konvoi etwa acht Kilometer westlich von Wroclaw befand und in Richtung tschechischer Grenze fuhr, wurde er zum ersten Mal länger aufgehalten. Modin hörte den Knall laut und deutlich, obwohl der Mercedes über hundert Meter hinter dem Lastwagen war. Sobald er sah, wie der Sattelschlepper ins Schlingern geriet, wusste er, dass ein Reifen geplatzt war.
Die Limousine hielt hinter dem Laster, und Bykow und Modin stiegen aus. Es war eine für Schwertransporter typische Panne; erst hatte sich die Lauffläche abgelöst, und dann war die Karkasse gebrochen. Nicht weiter schlimm, nur eine unnötige Verzögerung. Der Laster hatte zwei Ersatzreifen dabei, dazu einen schweren Wagenheber und einen Kreuzschlüssel. Aber Modin hielt
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