Operation Overkill
müssen wir noch auf neue Reifen für unsere Fahrzeuge warten. Aber ich könnte mir vorstellen, dass wir in etwa drei, vier Stunden aufbrechen. Könnte das ungefähr hinkommen?«
»Ja, wahrscheinlich«, erwiderte Richter. Er wusste nicht recht, worauf der Russe hinauswollte.
»Dann könnten wir also bis, sagen wir mal, spätestens zwei Uhr morgens in Calais sein?« Richter nickte.
»Die Fähre von Calais nach Dover verkehrt die ganze Nacht, folglich müssten wir etwa um fünf, sechs Uhr morgens in London ankommen. In Anbetracht dessen, 658
was ich Ihnen mitteilen werde, werden Sie unsere Ent-lassung vermutlich hinauszögern wollen, aber Sie können uns natürlich nicht ewig festhalten. Wir werden bis spätestens morgen Mittag in unserer Botschaft erwartet. Jedenfalls war das meine Einschätzung, die ich nach London durchgegeben habe, als wir Straß-
burg endlich hinter uns hatten.« Dann kam ihm ein Gedanke, und er lächelte leicht. »Ich hätte darauf kommen müssen. Die Baustellen waren ein Verzöge-rungsmanöver – Sie wollten uns aufhalten, bis Sie hier alles vorbereitet hatten.« Er deutete auf die Männer draußen.
»Das war nicht meine Idee«, erwiderte Richter. »Aber die DST meinte, es wäre einen Versuch wert.«
»Das war es auch, und es ist geglückt.« Modin wurde wieder ernst und beugte sich vor. »Sie müssen sich darüber im Klaren sein«, sagte er, »dass ich ein Patriot bin, kein Verräter. Ich habe Ihnen nur deswegen Informationen über diese Angelegenheit geliefert, weil ich das ganze Vorhaben für falsch hielt. Und wie bereits gesagt, ich wollte, dass es fehlschlägt.« Modin schwieg und versuchte offenbar eine Entscheidung zu treffen. Er öffnete seinen Aktenkoffer, riss ein Blatt Papier von einem Notizblock und schrieb etwas auf.
Dann reichte er Richter das Blatt. Es enthielt ein einziges russisches Wort – Krutaja.
»Was ist das?«, fragte Richter.
»Das ist alles, was ich für Sie tun kann, Mr. Beatty«, sagte Modin, »ohne mein Leben noch mehr aufs Spiel zu setzen. Sie müssen selbst herausfinden, warum 659
dieses Wort wichtig ist.« Er beugte sich wieder vor.
»Aber Sie müssen rasch handeln, und Sie müssen mit den Amerikanern zusammenarbeiten. Denken Sie daran.«
Richter schaute ihn an und steckte das Blatt in seine Brieftasche. »Ich nehme an, das Wort hat etwas mit Operation Podstawa zu tun«, sagte er.
»Ja«, erwiderte Modin. »Es ist ein wesentlicher Punkt. Aber das ist alles, was ich Ihnen dazu sagen werde. Ich habe Ihnen bislang nichts mitgeteilt, was meiner Meinung nach Russlands Interessen schaden könnte, und dabei wird es auch bleiben.«
»General«, sagte Richter leise, »das habe ich auch nicht von Ihnen verlangt.«
»Ich weiß, und ich danke Ihnen dafür. Wenn wir in London sind, werde ich mich sofort zur Botschaft begeben und eine dringende Nachricht an Minister Truschenko absetzen, in der ich ihm mitteilen werde, dass die für London bestimmte Waffe beschlagnahmt und der Plan aufgedeckt wurde. Mir bleibt nichts anderes übrig – das ist meine Pflicht, und die werde ich erfüllen.« Richter nickte, worauf Modin ihm einen kurzen Blick zuwarf. »Haben Sie die Mobilfunkantennen in dieser Gegend stillgelegt?«, fragte er.
»Ja«, erwiderte Richter.
»Ich schlage vor«, sagte Modin, »dass sie die Karten aus sämtlichen Telefonen entfernen, die wir dabeiha-ben, und sie vernichten. Ansonsten kann mich nichts und niemand daran hindern, in Moskau anzurufen und Minister Truschenko zu warnen, sobald wir eng-660
lischen Boden betreten. Das sollte trotz gewisser Si-cherheitsbedenken auch mit einem Handy möglich sein. Wenn Sie die Telefone unbrauchbar machen«, fuhr Modin fort, »kann ich darauf verweisen, dass ich eine sichere Verbindung benötige, und die Mitteilung hinauszögern, bis wir in unserer Botschaft in London sind. Bykow wird allerdings vorschlagen, dass wir nach Süden fahren und den Minister von unserer Botschaft in Paris aus verständigen.«
»Ich kann vermutlich dafür sorgen, dass die DST Ihre Fahrzeuge bis Calais begleitet und darauf achtet, dass Sie Frankreich umgehend verlassen«, sagte Richter.
»Das wäre sehr ratsam«, erwiderte Modin. »So weit zum ersten Punkt. Die zweite Sache ist schwieriger, da ich nicht einschätzen kann, wie Minister Truschenko auf meine Nachricht reagiert. Wie ich bereits erklär-te«, fuhr er fort, »habe ich versucht, dieses Unternehmen zu verhindern, aber es ist mir nicht geglückt. Sie haben unseren Plan zwar
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