Operation Overkill
Ent-schluss gefasst. Wenn er seine eigentlichen Befehle schon nicht ausführen konnte, so wollte er in der ihm verbliebenen Zeit doch sein Bestes geben. Wenigstens, dachte er mit einem verkniffenen Lächeln, kann mir von Seiten der al-Qaida niemand Vorwürfe machen.
Denn er wusste genau, dass er nur noch wenige Minuten zu leben hatte.
Er rief das Zündprogramm auf, griff zur Maus, zog den Cursor nach unten und widerrief das »Total«. Dann klickte er den Befehl »Einzeln« an und markierte das erste Ziel auf der alphabetisch geordneten Liste – »Abilene, Texas.«
Ross, der im Schlafzimmer der alten Mühle stand, schaute schon zum achten Mal auf die Uhr, seit der Trupp aufgebrochen war. Dann nickte er dem Scharfschützen zu. Der SAS-Mann drückte den Abzug seines Gewehrs durch und jagte eine 7.62mm-Kugel den Hang hinauf, wo sie an der Steinmauer des Nebengebäudes abprallte. Dann lud er nach und schoss erneut, ein ums andere Mal.
Badri sprang auf, als die erste Kugel unmittelbar neben ihm in der gut einen halben Meter dicken Steinmauer einschlug.
858
»Das heißt, dass sie kommen«, rief Abbas, ohne den Blick vom Bildschirm abzuwenden. »Achte nicht auf den Scharfschützen – der will uns nur von den vorrü-
ckenden Männern ablenken. Mach dich bereit.«
Mit einem zufriedenen Schnauben gab Abbas die letzte Ziffer des zweiten Befehlscodes für die Waffe in Abilene ein, zog den Cursor ein Stück weiter, markierte »Albany, New York« und gab den ersten Code ein.
Abilene, Texas
Die Stadt Abilene wurde 1881 als Endstation der Texas & Pacific Railway sowie als neuer Verladebahnhof für die großen Rinderherden aus Texas gegründet und übernahm sowohl den Namen als auch die Funktion eines vormals berühmten Endbahnhofes – Abilene, Kansas. Sie liegt etwa hundertfünfzig Meilen westlich von Fort Worth in einem flachen Landstrich ober-halb des Taylor und des Jones County und hat knapp dreihunderttausend Einwohner.
Die zwei Meter durchmessende Satellitenschüssel war vor gut einem halben Jahr von einer einheimi-schen Firma auf dem Dach eines kleinen Bürogebäudes unweit der McMurry University aufgestellt worden. Die gleiche Firma hatte auch das Koaxialkabel in das kleinste der drei Zimmer in der darunter liegenden Büroflucht verlegt. Da in dem Zimmer weder ein Fernsehapparat noch ein Satellitenempfänger standen, hatten die Mechaniker die Schüssel auf Wunsch des 859
dunkelhäutigen Geschäftsmannes einfach auf den erstbesten kommerziellen Satelliten ausgerichtet, ihren Lohn kassiert und waren abgezogen.
Drei Tage, beziehungsweise drei Nächte später stiegen zwei Männer auf das Dach des Gebäudes und richteten die Schüssel mit Hilfe ihrer Messgeräte und Werkzeuge auf einen weiter im Osten stehenden Satelliten aus, der auf keiner Himmelskarte verzeichnet war.
Niemand bemerkte, dass die Satellitenschüssel verstellt worden war. Und auch von dem schmächtigen, dunkelhäutigen Geschäftsmann, dem zwei Wochen darauf eine große, ziemlich schwere Kiste zugestellt wurde, nahm kaum jemand Notiz. Einen Monat spä-
ter schloss er die Büroflucht ab und begab sich an die Westküste, nach Los Angeles. Die Miete für die Büros war ein Jahr im Voraus bezahlt worden, sehr zur Freude der Hausverwaltung, sämtliche Betriebskosten wurden über ein Bankkonto abgebucht, und die wenigen Briefe, die eingingen, wurden an eine andere Adresse nachgesandt, sodass sich niemand auch nur in die Nähe der Büroflucht begeben musste. Aber auch das hätte letztlich keine Rolle gespielt.
Als Hassan Abbas die letzte Ziffer des Befehlscodes für die Waffe in Abilene eingab, sandte der Großrechner in Krutaja via Satellit eine Reihe von Signalen aus.
Zunächst erging an den kleinen Computer, der an die ausgewählte Waffe angeschlossen war, der Befehl
»Systemtest«, mit dem sämtliche Schaltkreise überprüft wurden. Dreißig Sekunden später sandte der 860
Großrechner das Signal »Vorbereiten« aus und eine weitere halbe Minute später den Befehl »Zünden«.
In Abilene bekam niemand etwas davon mit. In einer großen, abgeschlossenen Stahlkiste im Hinterzimmer einer verlassenen Büroflucht leuchtete ein orangefarbenes Lämpchen auf, dreißig Sekunden später ein rotes und eine halbe Minute danach ein grünes. Bislang war alles lautlos vonstatten gegangen, aber zwei Sekunden darauf drang ein deutlich vernehmbares Klicken aus der Kiste. Dieses Geräusch kündigte den Zündvorgang an, mit dem die Kettenreaktion ausgelöst
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