Operation Romanow
Streichhölzer, daneben standen eine leere Kaffeetasse und ein Aschenbecher mit einem halben Dutzend Zigarettenstummeln. Sorg hatte die Zigaretten geraucht, ehe er eingeschlafen war, und jetzt roch es in der kleinen Kammer nach kaltem Rauch.
»Sie müssen höllisch aufpassen, dass die Wunde nicht aufgeht. Das könnte fatale Folgen haben. Sie wollten wissen, wie es der Zarenfamilie geht?«
»Erzählen Sie mir alles, was Sie wissen. Lassen Sie nichts aus.«
Der mit Rotarmisten beladene Fiat-Lastwagen hielt vor dem Kloster an. Es war ein beeindruckender Komplex mit vergoldeten Kirchenkuppeln, zahlreichen Nebengebäuden und einem hohen Glockenturm. Jakow, der auf dem Vordersitz saß, ließ seinen Blick schweifen. »Wo sind wir?«
Kasan studierte eine handgeschriebene Liste. »Das ist das Nowo-Tichwinski-Kloster. Hier leben über tausend Nonnen, im Untergeschoss gibt es ein Krankenhaus, eine Bäckerei, ein Kinderheim und Werkstätten.« Er legte die Liste auf seinen Schoß. »Ich weiß, dass diese Nonnen den Romanows fast jeden Morgen frische Eier und Milch bringen«, fügte er mit funkelnden Augen hinzu.
Jakow stieg aus und starrte auf das Kloster. »Ein Krankenhaus, sagen Sie? Das könnte genau der Ort sein, wo unser Spion um medizinische Versorgung bitten würde.«
Als einer der Soldaten auf das Kloster zugehen wollte, ergriff Kasan seinen Arm. »Was haben Sie vor?«
»An der Klingelschnur ziehen, Genosse.«
»Damit sie wissen, dass wir kommen, Sie Idiot?« Kasan zog seinen Revolver. »Wir gehen durch den Hintereingang rein und überraschen sie.«
»Das Ipatjew-Haus wird streng bewacht. Jeder, der es betritt, braucht einen Passierschein und wird gründlich durchsucht. Zwei unserer Novizinnen, Marija und Antonina, haben Passierscheine und die Erlaubnis erhalten, der Familie alle paar Tage Eier, Sahne, Butter und frisches Brot zu bringen. Sie bringen ihnen auch Garn.«
»Garn?«
»Damit flicken sie ihre abgetragene Kleidung. Die Mädchen und die Zarin haben außerdem wertvolle Edelsteine in ihre Unterwäsche eingenäht, um eine eventuelle Flucht zu bezahlen.«
»Wie haben Sie die Passierscheine für die Novizinnen bekommen?«
»Vom Kommandanten des Ipatjew-Hauses. Vor gut einer Woche wurde allerdings ein neuer eingesetzt. Er heißt Jurowski. Ich weiß nicht, wie lange er uns noch erlaubt, die Familie zu besuchen.«
Sorg nahm eine Zigarette aus der Schachtel und zündete sie an. »Warum?«
»Der neue Kommandant traut niemandem. Er hat die Sicherheitsmaßnahmen verschärft und elektrische Klingeln eingebaut, um die Wachen zu warnen, falls es Ärger gibt. Einige Wachleute wurden durch lettische Schläger ersetzt, die er sorgfältig ausgewählt hat. In Jekaterinburg kursieren viele Gerüchte, und das, was ich gehört habe, macht mir Angst.«
»Was erzählen die Leute?«
»Es heißt, einer von Lenins Handlangern sei aus Moskau eingetroffen. Ein gewisser Kommissar Jakow. Sogar die Hunde auf den Straßen wissen, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bevor er den Befehl zur Hinrichtung der Familie gibt.«
Sorg klopfte die Asche im Aschenbecher ab. »Werden die Novizinnen ebenfalls gründlich durchsucht?«
»Das hängt von den Wachleuten ab. Einige winken sie einfach durch. Andere scheinen Freude daran zu haben, sie in Verlegenheit zu bringen, indem sie sogar unter ihrer Kleidung nachschauen. Seitdem die Familie in Jekaterinburg angekommen ist, lassen wir ihr Nachrichten zukommen, verstehen Sie. Eine unserer Nonnen hatte die schlaue Idee, eine Botschaft auf frischen Rettich zu schreiben, den sie der Familie gebracht haben. Aber einer der Wachmänner hat die Botschaft entdeckt. Zum Glück konnte er sie nicht lesen und hat den Rettich einfach mit den Stiefeln zertreten. Der damalige Kommandant hörte davon und drohte, uns alle zu erschießen, wenn es noch einmal passieren sollte.«
»Sind es immer dieselben Novizinnen, die der Familie Milch und Lebensmittel bringen?«
»Ja. Marija und Antonina.«
Sorg dachte nach. »Glauben Sie, die beiden könnten mir aus dem Gedächtnis eine Skizze des Hauses anfertigen?«
»Das müsste möglich sein.«
»Ich muss wissen, wo die Eingänge und Ausgänge sind, wo im ersten und im zweiten Stock welche Räume liegen. Und wo die Wachen stationiert sind. Alle Details sind wichtig. Besser wäre es natürlich, wenn Sie irgendwie an Bauzeichnungen des Hauses gelangen könnten.«
»Das könnte schwierig werden, aber ich werde sehen, was ich tun kann.«
»Erzählen Sie mir mehr
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