Operation Romanow
Sie.«
Schwester Agnes kniete vor dem Kellerraum, als sie Holz splittern hörte und die Tür am Ende des Ganges aufgebrochen wurde. Polternde Schritte hallten über die Steinfliesen. Kasan stürmte in die Zelle und schwenkte seinen Revolver. »Warum machst du die Tür nicht auf, du alte Hexe?«, brüllte er.
Die Nonne stand mühsam auf. »Ich bin Schwester Agnes, die Novizenmeisterin. Und darf ich Sie daran erinnern, dass das hier ein Haus Gottes ist? Waffen sind hier nicht …«
Kasan fackelte nicht lange und schlug Schwester Agnes mit dem Schlagring brutal auf den Mund, worauf sie ins Taumeln geriet. »Was machst du hier?«, fragte er.
Die Nonne wischte sich das Blut von den Lippen. »Die Kellerräume werden als Ort des Betens und der inneren Einkehr genutzt.«
Kasan feixte. »Ach, tatsächlich? Wer ist noch hier?«
»Niemand.«
»Ich rate dir, nicht zu lügen.« Er wandte sich seinen Männern zu. »Durchsucht alles.«
Die Soldaten schwärmten aus und begannen mit der Durchsuchung. Kasan nahm die Petroleumlampe von dem Haken an der Wand. Dann zog er sein Zigarettenetui aus der Tasche, entfernte den Glaszylinder von der Lampe und steckte sich die Zigarette an der Flamme an. Die flackernden Schatten verliehen ihm abgrundtief boshafte Gesichtszüge. Mit einem verschlagenen Grinsen hängte er die Lampe wieder an die Wand. »Hierher kommst du also, um zu beten?«
»Ja.«
Kasan versetzte der Nonne einen zweiten Schlag ins Gesicht. Sie schwankte und prallte gegen die Wand. Als sie um ihr Gleichgewicht kämpfte, schlug ihr Kasan noch einmal mit der Faust ins Gesicht. Aus mehreren Platzwunden rann Blut.
Schwester Agnes lehnte sich mit zitternden Knien gegen die Wand.
Hämisch grinsend zog Kasan an seiner Zigarette. »Willst du mir vielleicht jetzt etwas sagen?«
»Ich vergebe Ihnen, ebenso wie Christus es getan hätte.«
Kasans Nasenflügel bebten vor Wut. »Verspotte mich nicht, du alte Hexe! Mal sehen, ob du auch noch so große Töne spuckst, wenn ich genug Zeit hatte, um deine Zunge zu lockern.«
Zwei der Soldaten kehrten zurück. »Hier unten ist niemand.«
Kasan schnippte mit den Fingern. »Schafft sie nach oben. Wenn sie sich weigert zu sprechen, erschieße ich sie höchstpersönlich. Und sagt Kommissar Jakow, dass wir hier sind. Er durchsucht das Krankenhaus. Worauf wartet ihr? Bringt sie weg!«
»Ja, Genosse.«
Kasan folgte den Männern, welche die Nonne über den Korridor zerrten. Als sie an einem Metallgitter vorbeikamen, blieb Kasan stehen und spähte hindurch. »Wartet«, rief er seinen Männern zu. »Wohin führt dieses Tor?«, fragte er die Nonne.
Als sie nicht schnell genug antwortete, packte Kasan sie mit drohender Gebärde an der Gurgel.
»Zu … zu einem Gang, auf dem die alten Folterkammern liegen. Das Kloster war einst eine mongolische Festung.« Aus Mund und Nase der Nonne tropfte Blut.
»Da haben wir noch nicht gesucht. Wo ist der Schlüssel?«
»An … an meinem Gürtel.«
Kasan riss die Schlüsselkette so heftig von dem Gürtel der Nonne, dass sie beinahe umfiel. »Bringen Sie sie nach oben. Ich kümmere mich später um sie«, sagte er mit arglistig funkelnden Augen zu einem seiner Männer.
Der Mann zerrte die Nonne hinter sich her. Sein Kamerad blieb bei Kasan, der mehrere Schlüssel ausprobierte. Schließlich fand er den richtigen und steckte ihn ins Schloss, worauf sich das Tor quietschend öffnete.
Kasan hob seinen Revolver. »Treiben Sie irgendwo ein paar Lampen auf und kommen Sie mit«, bellte er.
62. KAPITEL
Nowo-Tichwinski-Kloster, Jekaterinburg
»Ich glaube, wir haben uns verirrt!«
Sorg hielt die Lampe hoch, als er Schwester Marija durch einen dunklen Gang folgte. Die Luft war kühl, und die feuchten Wände glitzerten.
Die Novizin verlangsamte ihre Schritte, um sich zu orientieren. »Nein. Die Tunnel sind ein Labyrinth, aber ich weiß, wohin wir gehen.«
Sie gelangten an eine massive Eichentür mit einem stark korrodierten Schloss. Daneben hing eine Sturmlampe. »Geben Sie mir die Lampe. Vielleicht brauchen wir sie noch«, sagte Schwester Marija.
Sorg zündete die Lampe an und reichte sie ihr.
Sie liefen weiter und kamen an den grässlichen, verrosteten Überresten mittelalterlicher Foltergeräte, Streckbänken und Ketten vorbei.
Sorg fröstelte. »Wo sind wir?«
»In einer der alten Folterkammern. Dieser Teil des Klosters wurde auf einem Torfmoor erbaut, und der Torf wirkt wie eine Isolierschicht. Deshalb ist es in den Kellerräumen immer kalt, und sie
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