Operation Romanow
sich an, als sei irgendwo eine Metalltür zugefallen.«
Der Soldat neben ihm runzelte die Stirn. »Ich habe auch etwas gehört, aber ich weiß nicht, was es war.«
»Halten Sie den Mund!« Kasan schlich vorsichtig weiter. Er hielt die Lampe hoch und streckte das Kinn vor, als wollte er eine Fährte aufnehmen.
Sie kamen an einem offenen Kellerraum mit mittelalterlichen Foltergeräten vorbei und gingen hinein. Kasan strich mit der Hand über eine Folterbank und zog an einer Kette, die leise rasselte. »Was ist das für ein Gestank?«
Er atmete mehrmals kurz ein, und als er das Licht auf eine Aussparung in der Wand richtete, sah er eine Tür mit Eisenbeschlägen und einem schweren eingefetteten Riegel. Kasan zupfte die Reste eines zerrissenen Spinngewebes ab, das schlaff am Türrahmen herunterhing.
»Was ist los?«, fragte der Soldat.
»Hier war jemand.« Kasan hob die Waffe und nickte. »Öffnen Sie die Tür. Langsam.«
Der Soldat schob den eingefetteten Riegel geräuschlos auf und öffnete die Tür. Er hielt seine Lampe hoch, sodass das Licht in den Raum fiel. »Ach du heilige Sch …!«
Der gelbe Lichtkegel der Lampe, die der Soldat in der Hand hielt, huschte über die Leichenberge. Kasan wich zurück, als ihm der Gestank entgegenschlug, doch der Anblick der Leichen schien ihm nichts auszumachen. Mit der Waffe im Anschlag betrat er den Raum. »Halten Sie die Lampe höher«, befahl er dem Soldaten.
Der Soldat folgte ihm in den Raum. Der Gestank war so ekelerregend, dass er seinen Arm schützend vor die Nase hielt.
Aufmerksam betrachtete Kasan die grässliche Szenerie. Dank der grauenhaft ineinander verschlungenen Gliedmaßen war es fast unmöglich, die einzelnen Toten voneinander zu unterscheiden.
»Die müssen aus dem Klosterkrankenhaus stammen«, stöhnte der Soldat.
»Warum wurden sie nicht begraben?«
»Das weiß ich nicht, Genosse Inspektor. Sollen wir weitergehen? Von dem Anblick wird mir schlecht.«
Das interessierte Kasan nicht. Er ging an dem Leichenberg vorbei und blieb stehen. Als er gegen ein aufgedunsenes Bein trat, stellte er fest, dass es am Knie abgerissen war. Er konnte die Sehnen, das Fleisch und den gebrochenen, gräulich verfärbten Knochen sehen.
»Genosse Inspektor?«, beharrte der Soldat.
Kasan, dessen animalischer Instinkt geweckt war, nahm keine Notiz von ihm. Er richtete seinen Revolver auf einen der Leichenberge und spannte den Hahn.
Der Soldat runzelte verwirrt die Stirn. »Was tun Sie da?«
Ohne zu zögern, drückte Kasan ab und feuerte mehrere Schüsse auf die aufeinandergestapelten Toten.
Schwester Agnes saß an ihrem Schreibtisch. Sie hatte einen dunkelblauen Fleck auf dem Kinn. Vor ihr auf dem Tisch stand eine Schüssel mit heißem Wasser, daneben lag ein feuchter Waschlappen. Als sie Jod auf die aufgeplatzte Lippe tupfte, zuckte sie vor Schmerz zusammen.
Plötzlich wurde die Tür aufgerissen, und eine Novizin kam herein. »Wir haben Schüsse unten im Keller gehört, Schwester Agnes. Und wenn die Roten …?«
»Sei still! Da kommt jemand«, fuhr die Schwester sie an.
Sie hörten das Poltern der Stiefel auf der Holztreppe, kurz darauf stürmte Kasan in den Raum. Ungeduldig fuchtelte er mit dem Revolver in der Hand herum und schrie die junge Nonne an: »Raus hier!«
Die Novizin verließ zitternd den Raum.
Mit einem teuflischen Lächeln auf den Lippen ging Kasan auf die verängstigte Schwester Agnes zu. Er presste seine Finger wie eine Zange auf ihr Kinn und tat so, als wollte er ihre Wunde untersuchen. »Das heilt wieder. Es ist bloß ein Kratzer.«
»Macht es Ihnen Spaß, Menschen wehzutun, Inspektor?«
Kasan grinste.
In diesem Augenblick betrat Jakow den Raum. »Was machen Sie hier, Kasan?«
Kasan ließ die Nonne feixend los. »Ich bin hier, weil ich um Verzeihung bitten möchte«, sagte er, ohne den Blick von der Nonne zu lösen. »Sie müssen unser Benehmen entschuldigen. Wir suchen einen Spion, nach dem schon lange gefahndet wird, und wollten nichts unversucht lassen. Wir müssen uns bei Ihnen entschuldigen.«
Schwester Agnes starrte ihn mit offenem Mund an.
»Wir haben das gesamte Kloster durchsucht und keine Spur von dem Mann gefunden, den wir suchen«, erklärte Kasan Jakow.
»Die Schwestern haben Schüsse gehört«, sagte die Nonne.
»Ich habe in der Leichenhalle unten im Keller die Nerven verloren. Ich wollte nur sicherstellen, dass die Leichen auch wirklich alle tot sind.«
»Warum wurden die Leichen nicht begraben?«, fragte Jakow Schwester
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