Operation Romanow
Bajonett an und hielt die Laterne hoch.
Sorg lag mit kalkweißem Gesicht, geschlossenen Augen und auf der Brust gefalteten Händen in dem Sarg. Er trug einen schwarzen Anzug, um einen Ärmel war ein rotes Armband gebunden.
Markow nahm respektvoll den Hut ab. »Ein guter Bolschewist trifft seinen Schöpfer.«
Der Soldat wich angewidert zurück und ließ den Deckel fallen. »Es gibt keinen Gott. Hören Sie nicht, was Genosse Lenin sagt? Machen Sie jetzt, dass Sie weiterkommen.«
Fünf Minuten später zog Markow erneut an den Zügeln, um das Gefährt anzuhalten. Die Pferde schnaubten, und das Klappern der Hufe auf dem Kopfsteinpflaster verhallte.
»Wir sind da. Sie können jetzt rauskommen. Die Luft ist rein.«
Sorg hob den Deckel hoch und quälte sich aus dem Sarg. Mit einem Handtuch wischte er sich das Mehl aus dem Gesicht, das Markow aufgepudert hatte, zog das rote Band vom Arm und steckte es in die Ta s ch e.
»Eine gute Idee, dieses Armband«, sagte der Leichenbestatter grinsend.
Sorg hob den Blick in der mondhellen Nacht zu der hoch aufragenden Kirchturmspitze. Er erkannte die Wosnessenski-Kathedrale, und in der Ferne schimmerte der große Stadtteich. »Wo sind wir?«
»Etwa dreihundert Meter vom Ipatjew-Haus entfernt.« Markow zeigte auf einen Torbogen, der in der Dunkelheit kaum zu erkennen war. »Der Eingang zum Tunnel ist unter dem Torbogen hinter einer verschlossenen Eisentür, die zum Kanal führt«, erklärte er. »Ein Stückchen weiter gelangen Sie zu einem Tor in der Mauer. Darüber sehen Sie das Zeichen der Bruderschaft. Hinter dem Tor beginnt der Tunnel, der vor einer Mauer endet. Dahinter liegt der Kellerraum.«
»Verstanden.«
»Die Steine in der Mauer sind gelockert worden, aber sie dürfen auf gar keinen Fall entfernt werden, bis wir alles für die Rettung der Familie vorbereitet haben. Niemand darf erfahren, dass wir das Tunnelnetz kennen und für welche Zwecke wir es nutzen wollen.«
Markow reichte Sorg eine Petroleumlampe, Streichhölzer und einen Metallring mit einem Schlüssel. »Die Lampe werden Sie brauchen. Der Schlüssel ist für die Eisentür.« Er sah auf seine Taschenuhr. »Viertel nach elf. Wir treffen uns hier in einer Stunde. Sie haben also genug Zeit. Sie erinnern sich an alles, was ich Ihnen auf dem Plan gezeigt habe?«
Sorg nickte.
Markow schlug mit der Peitsche auf die Flanken der Pferde. »Vergessen Sie nicht: Sobald es nach Ärger riecht, hauen Sie ab! Die Finger der Roten liegen alle locker am Abzug. Die geringste Provokation, und Sie sind ein toter Mann.«
78. KAPITEL
Jekaterinburg
Sorg hörte, wie sich die Kutsche langsam entfernte, und näherte sich dem Torbogen. Er war nur spärlich beleuchtet, aber Sorg entdeckte die stabile verrostete Eisentür in der Mitte der Mauer. Bevor er den Schlüssel, den Markow ihm gegeben hatte, in das Schloss steckte und die Tür öffnete, sah er sich nach allen Seiten um. Dann ging er einen Schritt vorwärts und wurde von der Dunkelheit verschluckt.
Sorg schloss die Tür hinter sich, griff nach den Streichhölzern und zündete die Petroleumlampe an. Das gelbe Licht erhellte die Mauern ringsherum. Er war in einem Tunnel. Ein fauliger, nach Schwefel stinkender Gestank stieg ihm in die Nase. Am Boden floss ein gluckernder Abwasserkanal, auf beiden Seiten des Rinnsals waren erhöhte Gehwege. Das Licht der Lampe warf flackernde Schatten an die feuchten Wände.
Sorg schrak zusammen, als eine Ratte fiepsend an ihm vorbeihuschte. Er presste einen Ärmel auf die Nase und lief in den Gummistiefeln, die Markow ihm geliehen hatte, den überschwemmten Gehweg hinunter.
Ein Stück weiter gelangte er an ein verrostetes Eisentor. Als er die Lampe hob, erkannte er das Zeichen der Bruderschaft, das mit weißer Farbe hoch oben an die Mauer gemalt worden war. Das Eisentor war mit einem Riegel verschlossen. Als er es aufschob und das Tor sich öffnete, quietschten die Angeln. Dahinter lag ein gewölbter Gang. Die Wände waren mit weißen Kacheln verkleidet.
Sorg hörte das schwache Echo leiser Stimmen und spitzte die Ohren. Das Murmeln hallte vom Ende des Tunnels zu ihm herüber. Markow hatte ihm ausdrücklich gesagt, dass er auf keinen Fall weitergehen sollte, wenn irgendetwas Unvorhergesehenes geschah, doch Sorg konnte seine Neugier nicht unterdrücken.
Sein Herz klopfte laut. Er hob die Lampe und drang tiefer in den Tunnel ein.
79. KAPITEL
Ipatjew-Haus, Jekaterinburg
Der Lastwagen hielt auf dem Hof des Ipatjew-Hauses an, und Kasan stieg
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