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Operation Romanow

Operation Romanow

Titel: Operation Romanow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glenn Meade
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und hüllten sich in seinen alten Armeemantel, um nicht zu erfrieren.
    Andrew drängte die Tränen zurück. Er konnte sich nicht ewig seinem Kummer hingeben, sagte er sich. Früher oder später musste er sein Leben wieder in den Griff bekommen.

23. KAPITEL
    London
    In Gedanken versunken bog Andrew in eine mit Unrat übersäte Seitenstraße ein und stieg vor einem baufälligen Werksgebäude aus Backsteinen vom Fahrrad. Hier war die Whitechapel-Druckerei untergebracht. Einige zerbrochene Fenster waren notdürftig mit Zeitungspapier und Holzbrettern abgedichtet worden. Ein paar dünne Kinder spielten auf der dreckigen Straße, abgemagerte Hunde liefen ihnen kläffend hinterher.
    Andrew schob sein Fahrrad in den Eingang, schloss es ab und stieg zwei Treppen hinauf. Anschließend betrat er die große Werkshalle, in der reges Treiben herrschte. In einer Ecke ratterte eine Druckerpresse, an der ein paar Drucker arbeiteten, deren Schürzen mit Tinte befleckt waren. Sie winkten Andrew zu, als er seinen Mantel auszog.
    Iwan Schaskow trat aus seinem Büro. Sein Chef war ein fröhlicher Mann mittleren Alters mit geröteten Wangen und einem breiten, typisch russischen Gesicht. Er trug immer eine frische Blume im Knopfloch seiner Anzugjacke. »Guten Tag, Juri.«
    »Iwan.«
    Mit sorgenvollem Blick legte Schaskow einen Arm um Andrews Schultern. »Ich möchte kurz mit Ihnen sprechen. Kommen Sie in mein Büro und nehmen Sie Platz.«
    Andrew folgte seinem Arbeitgeber in einen Raum, in dem allerhand Zeug aufbewahrt wurde, größtenteils Akten, mit sortierten Bleilettern gefüllte alte Holzkisten und hohe Stapel Flugblätter, die mit gewachsten Kordeln verschnürt waren.
    Die Druckerei veröffentlichte eine Wochenzeitung und Dutzende von antibolschewistischen Handzetteln, die für die nach London emigrierten zaristischen Russen bestimmt waren. Eine leere Wodkaflasche ragte aus dem Chaos heraus – ein Beweis für die gelegentlichen Saufexzesse seines Chefs, wenn er wieder einmal bis zum frühen Morgen arbeitete.
    Schaskow spielte nervös mit einem Bleistift. »Ich wollte Sie fragen, ob Sie sich bei Madame Bisenko eingelebt haben.«
    »Danke, ganz gut. Ist irgendetwas, Iwan?«
    Schaskow zwang sich zu einem Lächeln, doch es verblasste sofort wieder. Er warf den Bleistift auf den Tisch und trat an das Fenster mit Blick auf die Dächer von London. Als Schaskow mit abwesender Miene auf zwei Tauben starrte, die wie graue Stofffetzen in einem Luftloch schwebten, erinnerte sich Andrew an ihre erste Begegnung.
    Es war im April gewesen, seinem zweiten Monat in London. Sein einziger Besitz war die Decke, die ihm eine freundliche alte Frau in der Nähe des Bahnhofs Charing Cross geschenkt hatte. An guten Tagen gelang es ihm zu überleben, indem er Brot- und Fleischreste aus den Mülleimern der Restaurants fischte. An schlechten Tagen starb er fast vor Hunger.
    Der Tag, an dem er Schaskow kennengelernt hatte, war einer der schlechten Tage gewesen. Andrew hatte sich so schwach gefühlt, dass er sich auf eine Parkbank hatte setzen müssen. Ein gut gekleideter Mann mit einem Spitzbart und einer weißen Nelke im Knopfloch war in der Nähe gestanden und hatte dicke Brotkrusten, die von seinem Butterbrot übrig geblieben waren, an Tauben verfüttert. Andrew hatte die Ohren gespitzt, als er den Mann im Moskauer Dialekt mit den Vögeln hatte sprechen hören. »Verzeihung, sind Sie Russe?«
    Der Mann musterte Andrew misstrauisch, denn er sah recht ungepflegt aus. »Ja, ich stamme aus Moskau. Und Sie?«
    »Sankt Petersburg.« Andrew starrte auf die Brotkrusten, die die Vögel verschlangen.
    Dem Mann entging das nicht. »Haben Sie Hunger?«
    Andrew hatte seit fast drei Tagen nichts gegessen. Ob sein Stolz oder die Erschöpfung der Grund waren, das wusste er nicht, jedenfalls erwiderte er nichts. Der Mann rieb sich die Krümel von den Händen. »Ich heiße Iwan Schaskow und besitze eine Druckerei hier in der Nähe. Kommen Sie mit.«
    Er führte Andrew zu einem ungepflegten Reihenhaus aus roten Ziegelsteinen in der Friar Street, die zwei Straßen entfernt war. Die schon etwas ältere Ehefrau des Mannes ließ Andrew ein heißes Bad ein und bereitete ihm ein herzhaftes Abendessen zu, das aus einem Steak, Bratkartoffeln und Eiern bestand. Andrew verschlang es gierig. Schaskow brachte ihm einen Anzug. »Das müsste erst einmal gehen, bis Sie Fuß gefasst haben. Hier, nehmen Sie auch das.«
    Schaskow gab ihm einen Zehn-Schilling-Schein. Andrew war zu Tränen

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