Operation Romanow
und Wassili waren Freunde. Boyle hasst die Roten und all das, wofür sie eintreten.«
»Erzählen Sie mir mehr über diese Frau, mit der ich den Auftrag erledigen soll.«
»Sie ist irischer Abstammung, aber in Amerika geboren. Sie spricht fließend Russisch. Ihr Vater hatte ein Unternehmen in Sankt Petersburg.«
»Ehrlich gesagt macht mich der Gedanke, mit einer Frau unterwegs zu sein, nicht besonders glücklich.«
»Warum?«
»Wir wissen beide, dass Lenins Geheimpolizei auch vor Vergewaltigung und Folter nicht zurückschreckt, wenn wir geschnappt werden.«
»Sie kennt die Schwierigkeiten und die Gefahren. Und Sie brauchen sich über ihre Fähigkeiten gewiss keine Sorgen zu machen, Juri.«
»Aber es ist doch total verrückt, sich freiwillig darauf einzulassen. Warum tut sie das?«
Hanna stand auf und strich ihren Rock glatt. »Diese Frage beantworte ich Ihnen später. Boyle müsste inzwischen eingetroffen sein. Kommen Sie?«
Die Sonne schien, und es war ein herrlicher Nachmittag. Der Fluss zu ihren Füßen sah erfrischend und einladend aus. »Ich komme gleich nach, wenn es Ihnen recht ist. Ich möchte diesen warmen Sommertag ausnutzen und schwimmen gehen.«
»Lassen Sie sich nicht von dem Wasser täuschen. Es ist eiskalt«, gab Hanna zu bedenken.
»Kälter als in Russland kann es nicht sein. Sind Sie einverstanden, allein zurückzugehen?«
»Natürlich.«
Ohne ein weiteres Wort drehte sich Andrew um und lief wie ein Junge, auf den ein Abenteuer wartete, den Hügel hinunter.
Hanna sah ihm nach. Als Andrew das Ufer des Flusses erreichte, zog er sein Hemd aus. Als er seinen muskulösen Oberkörper entblößte, erhaschte sie einen Blick auf die dicken roten Striemen auf seinem Rücken.
Zu ihrer Überraschung zog Andrew sich splitternackt aus, sprang in den kalten Fluss und tauchte unter. Als er kurz darauf wieder auftauchte, spritzte eine Wasserfontäne hoch, und er holte tief Luft. Dann schwamm er mit kräftigen, gleichmäßigen Zügen gegen die Strömung.
Hanna schüttelte lächelnd den Kopf. »Mal sehen, was Lydia Ryan von Ihnen hält«, murmelte sie.
Sie drehte sich um und stieg den Hügel zum Cottage hinunter.
41. KAPITEL
Briar Cottage, Irland
Boyle trug Lydias Tasche ins Cottage.
Sie war überrascht, dass es so geräumig war. Ihr Blick glitt über die Balkendecke und den offenen Kamin, der nicht brannte. Grob geschnittene schokoladenbraune Torfstücke waren daneben aufgestapelt und verbreiteten einen intensiven erdigen Geruch im ganzen Raum.
Boyle ging in die Küche, in der ein großer schwarzer Eisenherd stand. »Keiner zu Hause?«, rief er.
Offenbar waren sie allein.
»Das Cottage wurde einst von dem Wildhüter genutzt, ehe Wassili es als Gästehaus umbauen ließ. Er hatte sich auch ein Arbeitszimmer hier eingerichtet.« Boyle ging mit Lydia durchs Haus und zeigte ihr die beiden Schlafzimmer und das Badezimmer auf der Rückseite. »Der Wildhüter wird uns übrigens nicht stören. Er hat eine Woche frei.«
»Wo sind die anderen?«
Boyle hielt eine Hand über den Herd. »Sie müssten gleich kommen. Der Herd ist noch warm. Mal sehen, ob ich hier irgendwo Tee finde.«
Als er im Spülbecken Wasser in den Kessel laufen ließ, ließ Lydia ihren Blick durch den Raum schweifen. Vor dem Kamin stand ein Schaukelstuhl neben einer großen alten Chaiselongue, die mit lindgrünem, mittlerweile verschlissenem Samtstoff bezogen war. Auf einem Sekretär mit Rollabdeckung standen mehrere Fotos in Silberrahmen.
Die meisten Bilder zeigten eine auffallend hübsche junge Frau, und auf einigen hatte sie sich in Pose geworfen. Auf einem Bild trug sie ein wallendes weißes Gewand. Das Foto war auf einer Bühne aufgenommen worden. Lydia nahm es in die Hand. »Ist das Hanna Wolkowa?«
»Ja. Tschechow hat gesagt, sie sei die einzige Schauspielerin, der er zutraute, die Hauptrolle in den Drei Schwestern zu spielen.«
»Sie sieht ein wenig selbstverliebt aus. Wie eine Diva.«
Boyle lachte. »Sie irren sich. Hanna ist eine unglaublich einfühlsame Frau und kein bisschen eingebildet. Auf der Bühne repräsentiert sie natürlich die Figuren, die sie spielt. Gehen Sie gerne ins Theater?«
Lydia stellte das Foto wieder zurück. »Falls Sie es noch nicht bemerkt haben, Mr Boyle, aber mein eigenes Leben ist dramatisch genug.«
Als Boyle den Kessel lächelnd auf den Herd stellte, betrat Hanna das Cottage. Ihr Haar fiel offen bis auf die Schultern, und sie hatte rosige Wangen.
»Wir haben gerade von dir
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