Operation Sahara
Reglosigkeit, waren friedlich über dem Magen gefaltet. Der typische Lederhelm der frühen Piloten lag zusammen mit der Fliegerbrille auf einem Bein. Schwarzes Haar, verfilzt, strähnig und staubig, nachdem es so lange den Elementen ausgesetzt gewesen war, fiel über die Schultern.
»Mein Gott«, murmelte Giordino fassungslos. »Das ist eine Frau.«
»Anfang Dreißig«, bemerkte Pitt. »Sie muß sehr attraktiv gewesen sein.«
»Wer sie wohl war?« überlegte Giordino.
Pitt ging um die Leiche herum und band ein Paket los, das am Türgriff des Cockpits festgebunden und in Öltuch gewickelt war. Vorsichtig zog er es auf, und das Logbuch der Pilotin kam zum Vorschein.
Er schlug es auf und überflog die erste Seite.
»Kitty Mannock«, las Pitt laut vor.
»Kitty, wer?«
»Mannock, eine berühmte Pilotin, Australierin. Ihr Verschwinden wurde zu einem der größten Rätsel der Luftfahrt – übertroffen nur vom spurlosen Verschwinden Amelia Earharts.«
»Wie kommt es, daß sie hier liegt?« fragte Giordino, der seine Augen nicht vom Leichnam abwenden konnte.
»Sie hat auf ihrem letzten Flug versucht, den Rekord von London nach Kapstadt zu brechen. Als sie verschollen war, hat französisches Militär in der Sahara eine systematische Suche durchgeführt, doch man hat keine Spur von ihrem Flugzeug entdeckt.«
»Traurig, daß sie ausgerechnet in die einzige Senke im Umkreis von hundert Kilometern gestürzt ist. Man hätte sie leicht aus der Luft entdecken können, wenn sie auf dem Boden des ausgetrockneten Sees gelandet wäre.«
Pitt blätterte die Seiten des Logbuchs durch, bis sie nicht mehr beschrieben waren. »Sie ist am 10. Oktober 1931 abgestürzt. Ihr letzter Eintrag stammt vom 20. Oktober.«
»Sie hat zehn Tage überlebt«, murmelte Giordino bewundernd. »Kitty Mannock muß wirklich eine eiserne Lady gewesen sein.« Er streckte sich im Schatten der Tragfläche aus und seufzte erschöpft.
Seine Lippen waren aufgesprungen und geschwollen. »Nach all der Zeit hat sie jetzt endlich Gesellschaft.«
Pitt hörte ihm nicht zu. Seine Gedanken beschäftigten sich mit einem abenteuerlichen Plan. Er schob das Logbuch in die Hosentasche und musterte die Reste des Flugzeugs. Den Motor beachtete er nicht, sondern überprüfte statt dessen das Fahrwerk.
Obwohl die Streben beim Aufprall eingeknickt waren, schienen die Räder unbeschädigt, und die Reifen hatten kaum etwas abbekommen. Auch das kleine Rad am Heck der Maschine sah noch intakt aus. Als nächstes überprüfte er die Tragflächen. Die Backbordtragfläche war etwas beschädigt, und wie es schien, hatte Kitty ein großes Stück der Bespannung herausgeschnitten, doch die andere war überraschend gut erhalten. Die Bespannung über Holmen und Rippen war hart, spröde und an Tausenden Stellen gesprungen, aber nicht zerrissen. Im Innern des Rumpfes fand er einen kleinen Werkzeugkasten, der auch einen Fuchsschwanz sowie Flickzeug für die Schläuche der Reifen und eine Luftpumpe enthielt.
Gedankenverloren stand er da und schien die extreme Hitze der Sonne gar nicht wahrzunehmen. Sein Gesicht war hager, sein Körper ausgetrocknet und ausgezehrt. Eigentlich hätte er in einem Krankenhausbett ruhig am Tropf liegen müssen. Der Alte mit Kapuze und Sense hatte seine Knochenhand schon nach ihm ausgestreckt. Doch Pitts Verstand arbeitete noch fehlerfrei und wägte das Für und Wider ab.
In diesem Augenblick beschloß er, nicht zu sterben.
Er ging um die Spitze der Tragfläche herum und kam auf Giordino zu. »Hast du mal ›Der Flug der Phoenix‹ von Elleston Trevor gelesen?«
Giordino sah ihn von unten blinzelnd an. »Nein, aber ich habe den Film mit James Stewart gesehen. Wieso? Du hast ja ein Rad ab, wenn du glaubst, daß du diese Mühle je wieder in die Luft bringst.«
»Ich will nicht fliegen«, erwiderte Pitt ruhig. »Ich habe das Flugzeug überprüft und glaube, daß es sich so ausschlachten läßt, daß wir einen Strandsegler bauen können.«
»Einen Strandsegler«, wiederholte Giordino erschöpft. »Klar, wir könnten auch eine Bar und einen Speisesalon einbauen.«
»Etwas Ähnliches wie einen Eissegler, nur daß das Ding auf Rädern fährt«, fuhr Pitt fort, ohne Giordinos Sarkasmus zu beachten.
»Was willst du denn als Segel benutzen?«
»Eine Tragfläche. Im Prinzip handelt es sich um einen elliptischen Flügel. Stellt man ihn hochkant, dann hat man ein Segel.«
»Wir haben nicht mehr genug Kraft«, widersprach Giordino.
»Ein derartiger Umbau, wie du
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