Opfer der Lust
Temperaturunterschied.“
„Mach das Kind nicht verrückt“, schaltete sich Mantis ein, der mit einer Flasche Budweiser auf dem Sofa saß. Er strich mit der freien Hand durch seine kurzen schwarzen Haare, die sich an den Schläfen zu lichten begannen. In wenigen Jahren würde er eine Glatze haben. Er ärgerte sich über seine Geheimratsecken und Beth hatte ihn schon zweimal dabei ertappt, wie er sich im Internet über Haartransplantationen informierte.
Lächelnd ging Beth zu ihrem Vater und küsste ihn auf die Wange. „Hallo, Dad.“
„Hallo, Pumpkin, du kommst spät.“
Wie sie diesen Kosenamen verabscheute! Sie war keine drei Jahre alt mehr, zudem wurde in den Staaten jedes zweite Kind ‚Pumpkin‘ genannt, aber zu versuchen ihrem Vater etwas auszureden, war wie die Niagarafälle hochschwimmen zu wollen: ein Ding der Unmöglichkeit.
„Ich war noch einkaufen.“ Bethany hielt die Packung Ben & Jerry‘s Eiscreme hoch und senkte sie rasch wieder, damit er den Namen Karamell Sutra nicht lesen konnte. „Ich bringe das Eis in mein Tiefkühlfach. Sonst kann ich es gleich trinken.“
„Beeil dich“, flüsterte Blanche, als Beth an ihr vorüberging. „Wir haben eine Überraschung für dich.“
Bethany zwang sich zu lächeln, obwohl sie am liebsten die Augen verdreht hätte. Die drei machten schon wieder Pläne hinter ihrem Rücken. Sie wurde erst in Kenntnis gesetzt, wenn etwas fertig besprochen und beschlossen war. Das ärgerte sie immer wieder aufs Neue.
Eigentlich kannst du froh sein, dass dein zukünftiger Ehemann sich mit deinen Eltern so gut versteht, sagte sie in Gedanken zu sich selbst, als sie die Wohnung ihrer Eltern verließ, um die Treppe zu ihrem Appartement hinaufzusteigen.
Ehemann. Über solche Themen konnte sie jetzt beim besten Willen nicht nachdenken. Kade saß ihr im Nacken. Er erpresste sie mit einer kompromittierenden Videoaufzeichnung und sie hatte keinen blassen Schimmer, was sie dagegen tun konnte.
Sollte Daryl von dem Video erfahren, wäre ihre Beziehung vermutlich beendet. Er war kein leidenschaftlicher Mann, der dem grenzenlosen Ausleben von Lust etwas abgewinnen konnte. Vermutlich hatte er sich als Teenager nie die Hörner abgestoßen. Daryl Veasey war grundsolide. Er putzte seine Schuhe jeden Morgen, bevor er aus dem Haus ging, und bügelte sogar seine Unterwäsche. Als Spießer konnte man ihn nicht bezeichnen, sondern er war einfach überdurchschnittlich korrekt.
Langweilig?
„Kade, ich verwünsche dich“, sagte Beth laut und warf den Eisbecher in das Gefrierfach ihres Kühlschranks. Der Becher kippte um, aber dank der Folie lief keine Eiscreme heraus. Trotzdem beeilte sich Beth, ihn aufrecht hinzustellen.
Sie knallte die Kühlschranktür zu. „Nein, ich wünsche alle Männer zum Teufel.“
Denn Aaron war keinen Deut besser. Weshalb hatte sie sich nur damals mit ihm abgegeben?
Weil er aufregend war? Weil er genauso verrückte Ideen hatte wie sie? Das traf alles zu. Außerdem war er sexuell aufgeschlossen, wie sie es früher ebenfalls gewesen war.
Aber die Zeit der Experimente war längst vorüber. Ein anständiger Mann war in ihr Leben getreten, einer, mit dem man zusammenleben konnte.
„Und warum?“, fragte sich Beth, als sie die Heizungen im Wohnzimmer aufdrehte.
Weil es keine Höhen und Tiefen mit ihm gab. Mit Daryl zu leben war gleichbleibend … gut.
Mehr nicht? Nur gut? Sie wünschte, sie hätte sagen können, dass das Leben mit Daryl aufregend war, aber das war es nicht. Er räumte ihr mehr Freiheiten ein, als sie haben wollte, und sie beschäftigte sich mittlerweile mehr mit ihrem Studium als mit ihm.
„Was machst du dir nur für Gedanken? So hast du bisher nie gedacht.“ Die Erinnerung an alte Zeiten hatte Beth gehörig durcheinandergebracht.
Sie stellte sich vor den Ganzkörperspiegel, der im Schlafzimmer hing, und knöpfte ihren Mantel auf. Im Spiegel betrachtete sie ihr Gesicht. Betroffen bemerkte sie, dass ihre Augen nicht mehr so wie früher strahlten.
Ihre Hände glitten über ihren Körper, sie strichen über ihre Brüste und kneteten sie einige Male.
Ihr Busen war praller geworden, genauso wie ihre Hüften runder. Sie fand sich selbst nicht hässlich, aber sie gab sich keinem Mann mehr leichtfertig hin wie damals mit siebzehn Jahren, als sie kein Gramm Fett zu viel an ihrem Körper hatte und ihre Brüste klein und fest waren.
Das Liebesspiel mit Aaron in der Tierhandlung lag erst sechs Jahre zurück, aber es schien ihr wie ein anderes
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