Opfer der Lust
mit solchen Dingen, Blanche! Sonst kann sie den Urlaub nicht genießen. Daryl und ich, wir haben eine Sonderausschüttung von unserer Firma erhalten, eine Art Bonus. Aber kümmere dich nicht weiter darum, Liebes. Du bist eingeladen.“
Beth konnte in ihrer jetzigen Situation nicht an Urlaubsplanung denken. Kade, wer auch immer er war, zwang sie, sich schon morgen mit ihm zu treffen. Aber sie ahnte, dass das Dinner nur der Anfang sein würde.
Sein Spiel mit ihr hatte gerade erst begonnen.
Er war jedoch nicht der einzige Mann, mit dem sich Beth heimlich hinter Daryls Rücken traf. In wenigen Minuten musste sie losgehen, um Aaron am Fort Hill Tower zu treffen.
Das alles war nicht richtig. Ihr Alltag geriet aus den Fugen.
Und hier saß sie mit ihren Eltern und Daryl und sollte einen Urlaub zu viert planen. Familienidylle pur. Das brachte sie nicht fertig.
Als ihre Mutter dann auch noch flüsterte: „Dort kann man bestimmt herrliche Flitterwochen verbringen“, sprang Bethany wie ein verschrecktes Huhn auf.
„Ich gehe mit Lazy spazieren, dann braucht ihr das nicht zu machen“, meinte sie etwas zu schroff. „Guckt ihr nach Urlaubszielen. Ich bin mit allem einverstanden.“
Ihr war schwindelig, doch sie versuchte sich nichts anmerken zu lassen und ging zur Garderobe, an der die Hundeleine hing. Der Neufundländer wusste genau, dass er Gassi geführt werden würde, aber er schien wenig begeistert zu sein. Erst als Beth seinen Namen rief, trabte er heran und ließ sich anleinen.
Beth hatte erwartet, dass Daryl ihr anbieten würde mitzugehen, immerhin war es draußen stockdunkel und Roxbury nicht der sicherste Bezirk Bostons, doch er hob zum Abschied nur die Hand und fing eine Diskussion mit Mantis an, ob sie sich in Kanada ein Wohnmobil mieten oder lieber in einer der Lodges übernachten sollten.
Eine Woche zusammen mit ihren Eltern und Daryl, eingepfercht in einen Wohnwagen. Das hätte Beth gerade noch gefehlt! Das war es nicht, was sie unter Urlaub verstand. Sie liebte ihre Eltern, aber ein wenig Abstand hätte ihrer Beziehung zu Daryl gutgetan.
„Bye“, verabschiedete sie sich kurz angebunden und ging mit Lazy hinaus auf die Straße.
Wenn sie schon keinen Mann an ihrer Seite hatte, dann wenigstens einen Hund, dessen Beschützerinstinkt stark ausgeprägt war. Der Neufundländer besaß ein freundliches, ruhiges Wesen, aber wehe, jemand griff Beth an. Als Daryl einmal mit ihr herumgebalgt hatte, war Lazy bellend um sie herumgesprungen und kaum zu beruhigen gewesen.
Schon nach der dritten Straßenecke hing Lazy die Zunge aus dem Maul. Eigentlich waren Neufundländer bewegungsfreudige Hunde, aber Lazy schien aus der Art zu schlagen, denn er lag lieber faul auf dem Wohnzimmerteppich oder unter dem Küchentisch, als lange Spaziergänge zu machen. Er war zufrieden, wenn er draußen kurz sein Geschäft verrichten und dann schnell zurück ins Warme konnte.
Bethany erspähte den Fort Hill Tower schon aus der Ferne. Mit jedem Schritt, den sie dem Monument näher kam, wurde sie fahriger, dabei war Aaron es, der nervös sein sollte. Schließlich hatte er Mist gebaut.
Kurze Zeit später ragte der hohe weiße Turm mit der kleinen Kapelle vor ihr auf. Der Highland Park schien verwaist.
Unschlüssig blieb sie stehen und schaute sich um, aber Aaron war noch nicht eingetroffen. Vielleicht würde er gar nicht kommen. Er war nie besonders mutig gewesen, sondern lief gerne vor Problemen davon, anstatt sie aus der Welt zu schaffen. Zumindest damals hatte er nicht den Mumm gehabt, ihrem Vater die Stirn zu bieten, als Mantis Hart stichelte, dass ein Cop in Boston ohnehin nicht lange zu leben hätte und Beth sich lieber einen anderen Partner suchen sollte.
Aber wer konnte sich schon gegen Mantis Hart durchsetzen, wenn dieser erst einmal in Fahrt war? Nicht einmal sie selbst. Sonst würde sie längst in einem eigenen Appartement am anderen Ende von Boston leben. Es hieß immer, dass Töchter ihre Väter um den kleinen Finger wickeln können, aber das traf auf Mantis nicht zu. Er liebte seine Tochter über alles, versuchte ihr Leben jedoch in die Bahnen zu lenken, die er für richtig hielt.
Das würde bei ihrem Studium nicht klappen. Er billigte zwar, dass sie Medizin studierte – immerhin arbeitete er selbst für eine Firma, die Medikamente mit Folsäure herstellte –, aber von ihrem Plan, sich auf forensische Pathologie zu spezialisieren, würde sie ihm erst erzählen, wenn das längst passiert war. Ihr Ziel war es, eines
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