Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Opferlämmer

Opferlämmer

Titel: Opferlämmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
Vom Netzwerk:
oder? Zumindest gab es da früher mal eine.«
    »Die ist immer noch da. Du brauchst neun Meter?«
    »Das müsste reichen … Was?«
    »Es ist nur … du siehst nicht gut aus, Lincoln. Ich bin mir nicht sicher, ob ich dich allein lassen sollte.«
    »Doch, das solltest du. Du solltest tun, worum ich dich bitte. Je eher du aufbrichst, desto eher kommst du zurück und kannst mich nach Herzenslust bemuttern. Also mach dich auf den Weg.«
    Es blieb einen Moment lang still.
    »Gut. Aber vorher messe ich noch mal deinen Blutdruck.«
    Wieder eine Pause.
    »Meinetwegen.«
    Gedämpfte Geräusche, ein leises Zischen, ein Klettverschluss, der aufgerissen wurde. »Der Wert ist nicht schlecht. Aber ich möchte, dass er auch so bleibt… Wie fühlst du dich?«
    »Ich bin bloß müde.«
    »In einer halben Stunde bin ich wieder da.«
    Schritte entfernten sich. Die Tür ging abermals auf und wieder zu.
    Er lauschte noch kurz, stand dann auf und zog den Overall eines Technikers der Kabelfernsehgesellschaft an. Die Colt Automatik versteckte er in der Werkzeugtasche, die er sich über die Schulter hängte.
    Er sah durch die Windschutzscheibe und in die Außenspiegel des Lieferwagens. Die Gasse war leer. Er stieg aus, vergewisserte sich, dass es hier keine Überwachungskameras gab, und
ging zur Hintertür von Lincoln Rhymes Haus. In den folgenden drei Minuten stellte er sicher, dass die Alarmanlage ausgeschaltet war, knackte das Schloss und schlich sich in den Keller.
    Er fand den Schaltkasten der Elektrik und machte sich leise daran, einen seiner fernsteuerbaren Schalter an die ankommende Versorgungsleitung anzuschließen. Sie lieferte 400 Ampere. Das war doppelt so viel wie in den meisten anderen Wohnhäusern der Gegend.
    Er nahm es mit Interesse zur Kenntnis, aber es spielte natürlich kaum eine Rolle, denn um einen Menschen nahezu augenblicklich zu töten, war nur ein winziger Bruchteil davon erforderlich.
    Ein Zehntel eines Ampere …

… Fünfundsiebzig
    Rhyme betrachtete gerade die Tabellen, als in seinem Haus der Strom ausfiel.
    Der Computermonitor wurde schwarz, und die Geräte stellten seufzend ihren Betrieb ein. All die roten, grünen und gelben Leuchtdioden erloschen.
    Er wandte den Kopf von einer Seite zur anderen.
    Im Keller quietschte eine Tür. Dann hörte er Schritte. Nicht die Schritte selbst, nur das schwache Ächzen der alten trockenen Holzstufen.
    »Hallo?«, rief er. »Thom? Bist du das? Der Strom. Da stimmt was nicht mit dem Strom.«
    Das Knarren kam näher. Dann hörte es auf. Rhyme drehte sich mit seinem Rollstuhl einmal im Kreis. Seine Augen suchten den ganzen Raum ab, so wie früher bei der Ankunft an einem Tatort, um sich einen ersten Eindruck zu verschaffen und alle relevanten Besonderheiten zu erfassen. Auch die Gefahren: Verstecke, in denen der Täter lauern konnte, vielleicht verletzt, vielleicht in Panik, vielleicht mit kalter Berechnung, um einen Polizeibeamten zu töten.
    Ein weiteres Knarren.
    Rhyme drehte sich noch mal um die eigene Achse, sah jedoch nichts. Dann entdeckte er auf einem der Untersuchungstische am anderen Ende des Labors ein Mobiltelefon. Stromausfall oder nicht, das Ding hatte einen Akku und würde auf jeden Fall noch funktionieren.

    Er gab per Touchpad den Befehl, und der Rollstuhl fuhr los. Am Tisch hielt Rhyme an. Sein Rücken wies zur Tür, und sein Blick richtete sich auf das Telefon. Es war höchstens einen halben Meter von seinem Gesicht entfernt.
    Das Display leuchtete grün. Das Telefon hatte noch jede Menge Saft und wartete nur darauf, einen Anruf zu tätigen oder entgegenzunehmen.
    »Thom?«, rief Rhyme erneut.
    Nichts.
    Er spürte sein Herz heftig schlagen, denn seine Schläfen und die Venen an seinem Hals pulsierten.
    Rhyme war allein und fast bewegungslos. Dicht vor ihm lag ein Telefon, und er konnte es nur anstarren. Er stellte den Rollstuhl schräg und fuhr rückwärts gegen den Tisch. Das Telefon schaukelte etwas, blieb aber genau dort liegen, wo es war.
    Dann spürte er, dass die Akustik im Raum sich änderte, und wusste, dass der Eindringling das Labor betreten hatte. Er fuhr noch einmal gegen den Tisch. Doch noch bevor das Telefon ein Stück näher rutschte, wurden hinter ihm schnelle Schritte laut. Jemand griff über seine Schulter und nahm das Telefon. Der Fremde trug Handschuhe.
    »Sind Sie das?«, fragte Rhyme. »Randall? Randall Jessen?«
    Keine Antwort.
    Hinter ihm nur leises Klicken. Dann ging ein Ruck durch den Rollstuhl. Die Batterieanzeige auf dem Touchpad

Weitere Kostenlose Bücher