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Opfermal

Opfermal

Titel: Opfermal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Funaro
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Hülle eines zerbeulten Chevy Nova, die auf Betonsteinen aufgebockt stand. Manche der Katzen waren ehemalige Bewohner der Tabakfarm seines Großvaters, wie Edmund wusste, andere wahrscheinlich ihre Nachkömmlinge. Rally hatte sie oft adoptiert, umso mehr, seit Edmund zu Armee gegangen war und es mit Claude Lamberts Gesundheit bergab ging.
    Es gab jetzt keine Katzen mehr auf der Tabakfarm.
    Edmund lächelte bei der Erinnerung daran, was er vor seiner Weihe mit den Katzen getan hatte. Wie dumm er damals gewesen war; wie blind für die Botschaften vor seinen Augen. Und dass sich Rallys Katzen jetzt vor dem Wagen versammelt hatten, um ihn zu begrüßen, nun das musste wohl auch eine Botschaft von Nergal sein.
    Edmund stieg aus seinem Truck und ging die drei windschiefen Stufen zu Rallys Gittertür hinauf. Die Innentür stand einen Spalt offen, und Edmund konnte Licht im Wohnbereich sehen. Er klopfte. Keine Antwort.
    Ein Paar Katzen begannen zu miauen und um seine Füße zu streichen.
    Edmund klopfte noch einmal. »Rally?«, rief er. »Hey, Rally, ich bin’s, Edmund.«
    Keine Antwort.
    Edmund schob die Katzen mit dem Fuß beiseite, machte die Tür auf und ging hinein.
    Er registrierte alles in weniger als einer Sekunde. Viel hatte sich nicht verändert in all den Jahren, seit er Rallys Wohnwagen zuletzt mit seinem Großvater besucht hatte – die Unordnung, der Geruch nach Mehltau, verbrannten Tiefkühlgerichten und Motoröl, das scheußliche Sechzigerjahre-Mobiliar, die Rennbilder an den Wänden und die Modellautos auf dem Sims über dem Propangaskamin.
    Nein, das Einzige, was anders war, war Rally selbst.
    Der alte Mann saß zusammengesunken in seinem Lehnstuhl, die Schrotflinte noch zwischen den Beinen, das Gehirn überall an der Wand hinter ihm verteilt.
    Die Zeit verlangsamte sich plötzlich für Edmund Lambert, sein Herz hämmerte, und die Ohren klangen ihm leise, während der Raum heller wurde, die Farben und Umrisse der Gegenstände ringsum deutlicher hervortraten. Er fühlte sich benommen, stand einfach in der Tür und starrte auf das grausige Tableau vor ihm, und es erschien ihm zugleich wie eine Ewigkeit und wie eine Sache von wenigen Sekunden.
    Dann hörte Edmund eine Art Schnalzen und spürte, wie ihn seine Beine vorwärtstrugen, als würde ihnen eine fremde Person befehlen. Er blieb vor Rallys Füßen stehen.
    Das Blut tropfte noch aus der Nase des alten Mannes, aber Edmund wusste, vor ein paar Minuten hatte es noch ganz anders ausgesehen. Er war Zeuge eines ähnlichen Selbstmords im Irak geworden, als sich ein Aufständischer, der nicht lebend gefasst werden wollte, die Mündung seiner 45er in den Mund steckte und sich den Hinterkopf wegblies. Das Blut war aus seinen Nasenlöchern geschossen wie aus einem Paar Feuerwehrschläuche, und sein Körper war erschlafft wie ein Luftballon. Genauso musste es bei Rally gewesen sein: der untere Teil seines Gesichts und der Hals, seine Brust und die rechte Seite des Overalls, alles triefte vor Blut.
    Aber woher kam das Schnalzen?
    Edmund spähte um den Sessel herum und entdeckte zwei Katzen, die das Blut aufschleckten, das zwischen den Polstern hindurch auf den Boden geflossen war. Die Katzen ließen sich nicht von ihm stören, und Edmund stand eine Weile da und sah ihnen zu.
    Dann wandte er sich wieder Rally zu und fing aus dem Augenwinkel etwas auf – auf dem Tisch auf der anderen Seite des Sessels, unter der Lampe.
    Es war die alte Arzneiflasche seines Großvaters. Er erkannte sie sofort – M-E-D-I-Z-I-N stand auf dem vergilbten Etikett, das sich an den Rändern ablöste. Der Deckel war noch drauf, aber Edmund sah im Licht der Lampe, dass sie leer war. Sie stand auf einem Stapel altmodischer Notizbücher, die wie Aufsatzhefte aussahen. Edmund erkannte sie ebenfalls als die seines Großvaters.
    Er nahm die Flasche zur Hand, schraubte den Deckel ab und schnupperte.
    Lakritze und Pine-Sol. Absinth?
    Aber der andere Posten von dem Zeug, hörte er Rally im Geiste, nun, sagen wir, man konnte es zu wichtigeren Zwecken gebrauchen, als es einfach zum Spaß zu trinken. Wir waren lange Zeit an der richtigen Formel dran.
    Die Formel. E + N-E-R-G-A-L = G-E-N-E-R-A-L
    Und dann sah es Edmund.
    Das Namensetikett auf Rallys Overall – auf der linken Tasche, die silberne Stickerei auf dunkelblauem Hintergrund.
    Die silberne Stickerei, die sich Gene Ralston las.
    G-E-N-E-R-A-L-S-T-O-N
    Die ersten sieben Buchstaben: G-E-N-E-R-A-L
    Aber wie konnte das sein? Rally war nicht der

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