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Opfermal

Opfermal

Titel: Opfermal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Funaro
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gesund erklärt, lehnte es jedoch ab, mit einem Armeepsychologen zu sprechen. Er ging auf zwei weitere Patrouillen und tötete einen Iraker, ehe er zurück nach Fort Campbell flog. Er erwähnte den Löwen oder den General nie wieder und betrauerte nicht einmal den Verlust seines Talismans. Der Löwe wollte ihn. Der Löwe wollte alles. Vor allem aber wollte der Löwe ihn.
    Alles war ihm jetzt so klar. Tatsächlich hatte er die Antwort seit seiner Kindheit vor Augen gehabt, aber Edmund war schlicht zu dumm gewesen, sie zu sehen.
    Der General.
    G-E-N-E-R-A-L
    Ja, dachte Edmund, wenn er das Wort General zerlegte – oder es auf ein Stück Papier schrieb, wie es ihm sein Großvater beigebracht hatte, Bindestrich, Bindestrich, Bindestrich und weiß der Teufel was noch – und die Buchstaben neu ordnete, erhielt man Nergal mit einem übrigen E. Wie in:
    G-E-N-E-R-A-L = E + N-E-R-G-A-L
    Oder, wenn es einem lieber war, konnte man die Gleichung auch so schreiben:
    E + N-E-R-G-A-L = G-E-N-E-R-A-L
    Es war so oder so das Gleiche. Das verbleibende E stand natürlich für Edmund. Daran war jetzt nicht mehr zu zweifeln. Die Beweislage war eindeutig, unwiderlegbar, ging über Zufall hinaus. Edmund wusste es mit jeder Faser seines Wesens. Er wusste es auf eine Weise, als hätte er nie etwas zuvor gewusst.
    Der Gott Nergal hatte ihn vor all diesen Jahren in seinen Träumen besucht, hatte ihm den Code, die Gleichung, die Formel zuteilwerden lassen und seither geduldig darauf gewartet, dass Edmund verstand. Und wie oft hatte er diese Worte nicht von Rally und seinem Großvater gehört? Gleichung und Formel? Nergal hatte die ganze Zeit auch durch die alten Männer zu ihm gesprochen!
    Und jetzt endlich verstand Edmund, was der Gott sagte: Edmund und Nergal auf einer Seite des Gleichheitszeichens, der General auf der anderen. Ja, nur mit Nergal konnte Edmund zum General werden.
    Die vollständige Gleichung besagte es:
    E + N-E-R-G-A-L = G-E-N-E-R-A-L
    Aber N-E-R-G-A-L brauchte auch Edmund, um der G-E-N-E-R-A-L zu werden. Doch Nergal war bereits ein General, der oberste General, der furchtbarste von allen sogar. Worauf wollte Nergal also hinaus? Vielleicht meinte die Formel, Nergal brauchte Edmund, um wieder ein echter, lebender und atmender General zu werden. Ja, vielleicht musste Edmund Nergal helfen, in die Welt der Lebenden zurückzukehren. Aber wie?
    Die Bilder auf dem Siegel! Es war alles da! Wie sonst konnte man die Gleichung erfüllen? Nergal wollte zurückkehren, wieder Fleisch werden, und er hatte Edmund als sein Vehikel auserkoren – hatte ihm tatsächlich Anweisungen gegeben, wie er es bewerkstelligen konnte! Deshalb hatte er den Löwen geschickt, um das Siegel zurückzunehmen. Der Löwe war Nergals Gesandter, und indem er das Siegel zurückgab – ebenjenes Ding, das in alten Zeiten zu geheimer Korrespondenz verwendet wurde –, hatte Edmund das Angebot des Gotts angenommen. Verehrung und Opfer waren die Schlüssel dafür, ihn zurückzuholen.
    Er hatte nicht halluziniert. Der Löwe war echt, und alles war in dieser Gasse so passiert, wie es Edmund in Erinnerung hatte. Dessen war sich Edmund sicher. Der Beweis war die Formel.
    E + N-E-R-G-A-L = G-E-N-E-R-A-L
    Und was hatte Rally am Telefon gesagt? Erneut etwas von »die richtige Formel« finden. Nun, das musste eine weitere Botschaft von Nergal sein, und jetzt, da Edmund seine Formel endlich kapiert hatte, würde er nie wieder so dumm sein, seine Botschaften zu übersehen oder falsch zu deuten.
    Die Botschaften waren überall und in allem, das verstand Edmund jetzt. Er musste nur genauer hinsehen, damit er sie lesen konnte.
    Und Edmund wusste, er musste sich auch Rally genauer ansehen. Da lag eine Botschaft verborgen, eine Antwort, die er aus all seinem doppeldeutigen Gerede über Formeln und weiß der Himmel was gewinnen musste; eine Antwort, die die ganze Zeit da gewesen war, die Edmund in seiner Dummheit aber schlicht wiederum nicht gesehen hatte.
    Edmund verstand all dies vom Gefühl her, auch wenn er es nicht artikulieren konnte. Er konnte die Hand nicht ausstrecken und diesen Blitz der silbernen Stickerei vor dem dunkelblauen Hintergrund nicht berühren, sosehr er sich auch bemühte.
    G-E-N-E-R-A-L
    Dass er das Wort auf diese Weise geschrieben sah – war es eine Erinnerung? Ein Traum? War es real oder eingebildet? Etwas, das er projizierte, jetzt, da er die Formel kannte?
    Doch neben der silbernen Stickerei G-E-N-E-R-A-L blitzten andere Dinge auf – ferne Schatten

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