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Opfermal

Opfermal

Titel: Opfermal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Funaro
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General!
    C’est mieux d’oublier.
    In Edmunds Kopf drehte sich plötzlich alles, er wich von der Leiche zurück, stieß gegen einen Stuhl und starrte benommen auf den Aufnäher mit dem Namen. Sein Atem ging in kurzen Stößen.
    Gene Ralston = G-E-N-E-R-A-L?, fragte er sich immer wieder. Nein, das konnte es nicht sein! Rally war in der Formel nicht enthalten! Rally war kein Teil der Gleichung!
    Edmund ließ die Notizbücher und die Flasche auf den Boden fallen und sank auf den Stuhl, er schloss die Augen und versuchte, sich in Gedanken auf das Bild der silbernen Stickerei zu konzentrieren.
    Gene Ralston.
    Er sah es da in der Dunkelheit schweben, vor dem blauen Hintergrund, aber immer noch sah er nur das Wort General, schräg von der Seite, aus dem Augenwinkel, als würde es sich von hinten an ihn heranmachen. Auch die französischen Stimmen mischten sich in das Bild. Und da war noch etwas – nein, noch jemand. Jemand Schrecklicher.
    Nergal, dachte Edmund. Nergal war ebenfalls dabei!
    E + N-E-R-G-A-L = G-E-N-E-R-A-L!
    Es war Nergal, daran konnte kein Zweifel bestehen. Nergal war schrecklich. So wie Edmund jetzt. Und mit ihm war Edmund der General. Zusammen würden sie … aber …
    Edmund presste die Handballen gegen die Augen, massierte sich die Stirn und versuchte, sich zu erinnern. Er glaubte, die alte Klebrigkeit wieder hinter die Augen kriechen zu fühlen, aber das Bild der silbernen Stickerei dehnte sich nicht aus, es erweiterte sich nicht zu Gene Ralston oder etwas anderem, das er kannte. Und dann verschwand jede Spur der Klebrigkeit.
    C’est mieux d’oublier.
    Edmund öffnete die Augen und hob eins der Notizbücher vom Boden auf – er griff sich einen Stift aus dem Durcheinander auf dem Küchentisch und öffnete das Notizbuch auf der ersten Seite. Die Schrift seines Großvaters, Symbole und Worte, die Edmund nicht verstand. Alles schien auf Französisch geschrieben zu sein, aber Edmund wusste es nicht genau – er hatte das Gefühl, als wüsste er überhaupt nichts mehr genau.
    Irgendwo musste hier eine Botschaft verborgen sein. Nergal sprach zu ihm, Edmund spürte es, sah es vor seinem geistigen Auge …
    E + N-E-R-G-A-L = G-E-N-E-R-A-L!
    Das war die Formel!
    Edmund kritzelte die Buchstaben G-E-N-E-R-A-L-S-T-O-N auf die Einbandinnenseite des Notizhefts, nahm rasch das Wort NERGAL heraus und übrig blieb E-S-T-O-N.
    Er hatte die Lösung sofort.
    »Natürlich!«, sagte Edmund und wurde sofort entspannt an Geist und Körper, da er alles verstand. »Verschieb das E an den Schluss, und du hast das Wort STONE .«
    Edmund schrieb es neben Nergal.
    NERGAL STONE oder STONE NERGAL , je nachdem, wie man es sehen wollte.
    »Der Nergal-Stein«, sagte Edmund und lächelte. »Das steinerne Siegel, auf dem das Opfer für den Gott Nergal dargestellt ist. Gene Ralston ist gleich der Nergal-Stein! So wie mich der Gott vor vielen Jahren besucht hat, war die Formel, die Botschaft, die mich auf das Siegel hinwies, die ganze Zeit da! Mitten auf Rallys Overall!«
    Eine der Katze lugte um den Sessel herum, schleckte sich die Lippen und sah spöttisch zu Edmund hinauf.
    »Ich verstehe«, sagte Edmund unter Freudentränen.
    Er fuhr zur Farm zurück und versteckte die Arzneiflasche und die Notizbücher unter den Bodendielen im ehemaligen Schlafzimmer seiner Mutter. Das ist der angemessene Ort für Geheimnisse, dachte er.
    Dann fuhr er wieder zu Rally und rief die Polizei. So war es am vernünftigsten, stellte er sich vor. Am besten, er sagte einfach die Wahrheit, wie er Rally tot in seinem Sessel gefunden hatte. Bei entsprechenden Ermittlungen würde sein Telefongespräch eine Stunde zuvor mit ihm auftauchen, und sie würden feststellen können, dass Rally kurz danach gestorben war.
    Edmund erzählte dem Sheriff, der alte Mann habe deprimiert geklungen am Telefon – er habe Unsinn geredet, sagte er, zu schade, dass er nicht früher bei ihm gewesen war. Das war seine offizielle Aussage, ehe er ging – natürlich nicht, ohne noch einmal jede erdenkliche Hilfe anzubieten. Nein, dachte Edmund, es brauchte keinen übergewichtigen Hitler-Doppelgänger, um anhand des Schauplatzes auf Selbstmord zu schließen, aber die Wahrheit zu sagen – oder fast die Wahrheit – war auf jeden Fall nicht verkehrt.
    Aber warum machte sich Edmund über all das überhaupt Sorgen. Schließlich hatte er mit Rallys Tod nichts zu tun.
    Oder doch?
    Was hatte Rally am Telefon noch gesagt? » Es war wohl nur eine Frage der Zeit.« Ja, dachte Edmund,

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