Opfermal
weiter gefragt: »Wirst du ihn erkennen, wenn er dich holen kommt?«
»Ja«, hatte Cox schließlich erschöpft gesagt. »Wen immer ich erkennen soll, ich werde ihn erkennen, okay? Lassen Sie mich endlich gehen!«
»Und nimmst du deine Aufgabe an?«
»Wovon zum Teufel …«
»Nimmst du deine Aufgabe an? «
»Ich weiß nicht, wovon Sie reden, verdammt!«
»Das neun zu drei«, hatte der Mann gesagt und auf die großen Ziffern zu beiden Seiten des Eingangs zum Raum gedeutet. »Das drei zu eins. Siehst du sie?«
»Ja«, hatte Cox gewimmert, »aber ich …«
»Du bist die Neun, ich bin die Drei. Du bist die Drei, ich bin die Eins. Dein Schicksal steht ringsum in den Sternen geschrieben. Die Gleichung ist in allem und ist es immer gewesen. Deshalb musst du deine Aufgabe annehmen. Verstehst du?«
»Ich nehme einen Scheißdreck an, du krankes Arschloch!«
Der Mann in der Skimaske war kurz in sich zusammengefallen, schien zu seufzen und war rasch hinausgegangen.
Eine Minute später war er mit der Rasierklinge wiedergekommen.
Bradley Cox biss die Zähne zusammen, da ihn der brennende Schmerz in seiner Brust daran erinnerte, was der Mann in der Skimaske getan hatte. Der Mann in der Skimaske, alias Edmund Lambert, alias Vlad der Pfähler. Die verdammten Symbole, die er ihm überall auf den Körper geschrieben hatte, waren genau wie die im Internet – er musste es sein!
Doch bei all dem stundenlangen Schreien, selbst bei der Tortur mit der Rasierklinge, hatte Bradley Cox nicht einmal zu erkennen gegeben, dass er wusste, wer sein Entführer war. Die zahllosen Folgen von America’s Most Wanted und Unsolved Mysteries, die er in seiner Kindheit gesehen hatte, hatten ihn gelehrt, sich so zu verhalten.
Solange Lambert nicht weiß, dass ich ihn durchschaue, wiederholte er sich immer wieder, habe ich noch eine Chance.
Aber Cox hatte Lambert seit Stunden nicht gesehen und spürte, dass er jetzt nicht nur den Keller, sondern auch das Haus darüber verlassen hatte. Vor etwa zwanzig Versionen des Songs hatte er oben kurz einen Alarm losgehen hören. Kurz danach sah er eine Gestalt in dem dunklen Flur stehen. Er wusste nicht genau, wann die Gestalt verschwunden war, aber im Übergang zwischen dem Achtzigerjahresong und der Coverversion von Clone Six hörte er den Alarm erneut, und dann fiel eine Tür ins Schloss. Seitdem war in den Übergängen alles ruhig gewesen. Und Gott sei Dank drangen auch kein Hämmern und keine Geräusche von Elektrowerkzeugen mehr aus dem anderen Raum, keine gelben Blitze und kein leichter Luftzug aus dem Flur.
Bradley Cox hatte alles über Vlad und seine Opfer im Internet gelesen und wusste verdammt gut, was ihn erwartete, wenn Edmund Lambert zurückkehrte. Und es gab keinen Zweifel, dass er zurückkehren würde – das Blut, der brennende Schmerz in seiner Brust, wo ihn der Pfähler geschnitten hatte, machten es mehr als deutlich.
Das alles schien ein ganzes Leben her zu sein, und der Schmerz in der Brust war nichts gegen den Schmerz in seinem linken Handgelenk, wo der Lederriemen in sein Fleisch schnitt. Daran war Bradley Cox jedoch selbst schuld. Seit Stunden schon zerrte und drehte er nun daran, und bei einem neuerlichen kräftigen Ruck spürte der junge Mann, wie sein Daumen aus dem Gelenk sprang.
Er heulte auf vor Qualen, hielt aber nur kurz inne, um Luft zu holen, bevor er erneut zog und sich wand und die Wunden auf seiner Brust aufplatzten. Er spürte, wie ihm das Blut in die nackte Leiste lief, aber statt aufzuschreien, begann Bradley Cox zu lachen.
»How could you think? How could you think?
Tell me how could you think I’d let you get away?«
Vielleicht verlor er den Verstand, vielleicht waren seine Sinne nicht mehr so scharf, wie er gedacht hatte. Aber er hätte in all dem Schmerz schwören können, dass sich der Riemen um sein Handgelenk plötzlich viel lockerer anfühlte.
77
Es war fast acht Uhr, als der schwarze SUV vor Sam Markhams Gebäude einparkte. Der General identifizierte ihn als dasselbe Fabrikat und Modell wie das von Andrew J. Schaap, aber erst als der Fahrer ausstieg, wusste er mit Bestimmtheit, dass er Sam Markham gehörte.
Der General erkannte ihn sofort; er fand, der Agent sah in natura kleiner aus als auf dem Foto, und er wurde von Erregung erfasst, als er daran dachte, was er und der Prinz für ihn bereithielten.
In diesem Sam Markham hatten sie den ultimativen Soldaten gefunden. Jemanden, der den Prinzen ebenso sehr fürchtete wie jene, die ihn in der
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