Opfermal
Natürlich war Edmund Lamberts Mutter nirgendwo zu sehen, aber der Prinz zeigte ihm tatsächlich Ereshkigal. Sie war jetzt ziemlich sicher ebenfalls ein Teil der Gleichung. Aber wie sie sich genau einfügte, wusste der General noch immer nicht – er sah nur sich selbst mit ihr über die rauchenden Schlachtfelder rennen. In dem Teil seines Gehirns, den er immer noch vor dem Prinzen geheim halten konnte, war der General jedoch zuversichtlich, dass es ihm am Ende gelingen würde, seine Mutter zu retten. Er wusste nicht, wo sie war – so vieles an der Hölle verstand er immer noch nicht –, aber er wusste, dass Ereshkigal ihm helfen würde. Dass der Prinz tatsächlich erwartete, er und Ereshkigal würden zusammenkommen, erfüllte ihn mit Hoffnung. Vielleicht konnten sie sich hinter seinem Rücken verschwören. Vielleicht wusste sie, wohin der Prinz seine Mutter gebracht hatte. Wenn der General versprach, sie wieder auf ihrem Thron zu installieren, konnte sie vielleicht …
Er ließ sich schon wieder fortreißen. Solche Gedanken musste er für den Augenblick zurückstellen. Die Gleichung musste Vorrang haben, und es war immer noch Zeit, sie ins Lot zu bringen. Das hatte ihm der Prinz in seinen Visionen gezeigt. Und wenn alles nach Plan lief, würde morgen mehr als die Hälfte der Neun vollständig sein. Danach, und wenn Ereshkigal erst mit ihm vereint war, würde der General schließlich erfahren, wie es weitergehen sollte.
So war es schließlich immer gewesen.
Eins nach dem anderen, sagte sich der General und fischte ein Fernglas aus dem Handschuhfach. Auch wenn ihm George Kiernan alles versaut hatte, weil er die Aufführung nicht abgesagt hatte, musste er sich erst um die Dinge hier in Raleigh kümmern.
Er hatte Doug Jennings bereits angerufen und ihm erzählt, seine Tante habe einen Verkehrsunfall gehabt und er werde es nicht zum Fototermin schaffen. Dann hinterließ er Cindy eine Nachricht, dass er sie anrufen werde, sobald er seine Tante aus dem Krankenhaus abgeholt hatte. Es blieb ihm nur noch eine kurze Frist, bis Sam Markham und dessen Freunde auf der Suche nach Markhams Partner zu ihm kommen würden, deshalb musste er unbedingt allein sein für das, was der Prinz für ihn auf Lager hatte.
Außerdem wusste der General, dass es trotz seiner Inszenierung von Cox’ Wohnung nur eine Frage der Zeit war, bis die Polizei anfing, Leute zu befragen. Sie würden alle befragen und schließlich auch zu Edmund Lambert kommen. In diesem Fall würde die Variable »früher oder später« nichts Gutes für die Gleichung verheißen.
Natürlich hatte auch der Prinz keine Ahnung, wie lange es dauern würde, bis die Polizei und dann das FBI versuchen würden, Cox’ Verschwinden mit Vlad dem Pfähler in Verbindung zu bringen. Aber dieser Sam Markham wusste, die Morde hatten nichts mit Vlad dem Pfähler zu tun, und wegen des militärischen Aspekts im Täterprofil des FBI war jeder Verkehr mit den Behörden gefährlich für den früheren Angehörigen des 187. Regiments. Und das bereitete dem General Sorgen.
»Aber der Löwe mit dem Seehundschwanz hat dem FBI in Greenville ein Geschenk hinterlassen«, sagte der General und hob das Fernglas an die Augen. »Wenn sie es finden, bevor ich an Markham herankomme, werde ich den Prinzen wieder konsultieren müssen. So oder so werden wir genau wissen, wann das FBI begreift, dass Andrew J. Schaap verschwunden ist.«
Der General fummelte an der Brennweite herum und richtete das Fernglas auf Sam Markhams Eingangstür. Und bald fühlte er seine Sorgen schwinden. Denn auch wenn ihm vieles am Plan des Prinzen noch nicht offenbart worden war, eins war sicher: Sam Markham war jetzt ebenfalls ein Teil der Gleichung.
75
Als Markham im Außenbüro eintraf, fand er Andy Schaaps Büro leer vor. Er machte das Licht an und setzte sich an den Schreibtisch, wo er mit grimmiger Miene auf die verstreuten Papiere vor ihm blickte. Er nahm einen Stapel mit einem gelben Post-it obendrauf zur Hand.
Die erste Ladung ist gerade reingekommen, lautete die Notiz. Markham klebte das Post-it an Schaaps Bildschirm. Es handelte sich um eine von den Marines gefaxte Liste von Irak-Kriegsveteranen aus Einheiten, die in Dr. Underhills Abzeichen-Profil passten und die vor, während oder nach ihrer Dienstzeit psychiatrisch behandelt worden waren. Der Zeitrahmen erstreckte sich von April 2003 bis Juni 2004.
Markham schaute auf Datum und Uhrzeit des Fax-Eingangs.
»Gestern Nachmittag«, murmelte er.
Er fand zwei
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