Opfermal
Eingängen und einem hohen Tor in der Mitte des oberen Rangs, das das Muster der Ofentüren in Auschwitz nachahmen sollte. Anstatt das Stück jedoch in Nazi-Deutschland anzusiedeln – was er perfekt gefunden hätte –, hatte sich der Regisseur entschieden, Macbeths Königreich als eine ausgebrannte, postapokalyptische Fantasiewelt darzustellen. Edmund fand das trivial und pubertär – eine Art Road Warrior für Arme –, aber egal. Hauptsächlich die Falltür funktionierte einwandfrei, das war alles, was ihn interessierte.
Und sobald sich die Plattform geteilt und Banquo den Staub in Macbeths Augen geblasen hatte, trat Edmund zufrieden tiefer in das Halbdunkel neben der Bühne zurück.
»Willst du nicht sehen, wie ihm der Kopf abgeschnitten wird?«, fragte die junge Frau, die Lady Macbeth darstellte.
Edmund zuckte mit den Achseln und nahm seinen Platz neben dem Seilgestänge ein. Er hatte sich nie richtig mit ihr unterhalten – nur hin und wieder ein paar Worte mit ihr gewechselt im letzten Jahr –, aber er wusste, sie hieß Cindy Smith. Sie trug ihre Probenklamotten, hatte es aber auf sich genommen, sich wie die Hexen zu kleiden – wie ein Geist, der ihren Abstieg in die Hölle darstellte. Edmund hatte bei der Teambesprechung gehört, wie sie sich beschwert hatte, dass sie in ihrem Kostüm als Königin keine Verbeugung machen konnte, und hatte sie als kleinlich und so gewöhnlich wie ihren Nachnamen empfunden, weil sie wegen so eines Mists herumkeifte.
Dann kam der Jubel auf der Bühne, der Macbeths Enthauptung anzeigte, und Cindy flüsterte: »Kein Schwert auf der Welt ist groß genug, um diesem Kerl den Kopf abzuschneiden.«
Edmund lächelte und hatte schlagartig eine bessere Meinung von ihr.
»Hast du vor, auf die Ensembleparty zu gehen?«, fragte sie. »Ich weiß nicht, ob du es weißt, aber sie ist nach der Vorstellung am nächsten Freitag. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich dich je auf einem der anderen Feste in diesem Jahr gesehen habe. Aber du solltest auf jeden Fall kommen.«
»Ich weiß noch nicht, ob ich es schaffe«, sagte Edmund mit seinem schweren Südstaatenakzent. »Bei mir zu Hause ist eine Menge liegen geblieben, wegen der vielen Arbeit hier.«
»Na, ich hoffe jedenfalls, dich dort zu sehen. Ich weiß, du bist schon ein bisschen älter, aber unsere Theaterpartys sind ziemlich cool. Nicht ein Haufen betrunkener Studienanfänger, die sich zu Deppen machen, falls du das befürchtest.«
Edmund nickte nichtssagend. Von der Bühne her ertönte eine Fanfare, das Zeichen, dass der neu gekrönte König Schottlands seine Schlussrede halten würde.
»Cindy!«, zischte ein Bühnenassistent. »Mach, dass du an deinen Platz kommst!«
Aber Edmund wusste, dass die Schauspielerin noch ein wenig Zeit hatte; sie würde nur die Treppe hinunter in die Elektrowerkstatt laufen müssen, um unter die Falltür zu gelangen, von wo sie dann nach oben stieg, um Macbeths Seele in die Hölle zu führen. Tatsächlich musste sie immer noch bis zum Ende dieser albernen Tanznummer mit den Hexen warten – etwas, das der Regisseur in letzter Minute eingeschoben hatte, damit der Darsteller des Macbeth genügend Zeit hatte, in sein Geisterkostüm zu schlüpfen. Edmund hatte es zwar nicht persönlich miterlebt, aber was man so hörte, hatte Macbeth sogar noch mehr Stunk wegen seiner Verbeugung gemacht als Cindy.
»Ich muss los«, sagte sie. »Wir sprechen uns bis dahin bestimmt noch, aber überleg dir, ob du zu der Party am nächsten Freitag kommen willst, okay, Edmund?«
»Okay.«
Cindy lächelte und verschwand im Treppenschacht.
Kurz darauf fing Edmund ihren Blick auf, als sie aus der Grube stieg, um den Geist ihres toten Gatten zu empfangen. Und während die junge Schauspielerin höchstwahrscheinlich dachte, er würde sie aus der Seitenkulisse heraus beobachten, interessierte Edmund Lambert eigentlich nur, ob die Falltür richtig funktionierte.
Es war kurz nach Mitternacht, als Edmund mit seinem alten Ford F-150 in die lange, nicht asphaltierte Zufahrt zum Farmhaus seines Großvaters bog. Das verwinkelte, zweistöckige Gebäude mit der ramponierten Vorderveranda stand rund zweihundert Meter von einer Landstraße zurückversetzt am Ortsrand von Wilson, fast genau auf halbem Weg zwischen dem Campus der Harriot University und der Innenstadt von Raleigh.
Edmunds Großvater hatte hier einst Tabak angebaut. Er hatte das Familienunternehmen von Edmunds Urgroßvater übernommen und in den Sechziger- und
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