Opferschrei
werden. Er hatte die natürlichen Reaktionen seines Geistes und Körpers erwartet und die Tricks, die sein Verstand ihm nach Willen des Jägers spielen sollte. Und er wusste, wie er mit ihnen umzugehen hatte!
Er hatte die Jäger – hatte Quinn – immer im Blick. Doch das musste er auch. Das war logisch. Das war Vorsicht, nicht Stress.
Er betrachtete sein Spiegelbild in dem Glas, das ihn von der Nacht und einer Welt, die verrückt war, trennte. Er lächelte. Nach einer Pause lächelte sein Spiegelbild zurück. Alles war unter Kontrolle.
Als er sich vom Fenster abwandte, fiel sein Blick auf die zusammengeknüllte Zeitung auf dem Boden neben dem Papierkorb.
Die Medien hatten ihre Geschichte: Quinn, der Jäger, gegen den Night Prowler, die Beute. Und die Beute sollte den Druck spüren. Quinn hatte etwas herausgefunden, also musste er ihm dicht auf den Fersen sein. Und weil er ihm dicht auf den Fersen war, musste er am Ende als Gewinner hervorgehen. So funktionierte es im Kino, im Fernsehen und in Büchern.
Doch das war eine konstruierte, eine andere Art von Schicksal.
Der Night Prowler lächelte. Das wahre Leben war nicht so einfach.
Noch war es der wahre Tod.
Tod aus der Distanz.
Er würde herausfinden, wo er eine Pistole herbekam.
Lisa hatte die gelben Rosen in eine schönere Vase getan und sie auf das Buffet im Esszimmer gestellt. Sie arrangierte sie sorgfältig, bis es perfekt aussah.
Als Leon aus dem Laden heimkam, wo er länger als sie gearbeitet hatte, warf er einen Blick auf die Blumen und lächelte. »Schön.« Er blätterte durch die Post , die er zusammengefaltet unter seinem Arm getragen hatte, dann warf er die Zeitung auf den Couchtisch.
»Wie war das Mittagessen mit deinen alten College-Freundinnen?«
»Nett. Sie sehen immer noch gut aus. Janet ist immer noch schön, aber Abby hat ziemlich zugelegt.«
»Ist sie fett?«
»Manche würden es so nennen.«
»Du mochtest Janet immer lieber als Abby, oder? Ich meine, nach dem zu urteilen, was du so über sie erzählt hast.«
»Janet hat mit mir das Zimmer geteilt. Sie ist nur zu Besuch in der New York. Sie und ihr Mann leben in einer Stadt namens Morristown.«
»Ah, in New Jersey.«
»Nein. Morristown in Tennessee. Sie hat diesen lustigen Akzent angenommen.«
Leon lächelte. »Ich wette, du hörst dich für sie auch lustig an. Ist sie geschäftlich hier?«
»Zum Teil. Sie bleibt nur ein paar Tage.«
»Schade«, sagte Leon abwesend und nahm die Zeitung, die er auf den Couchtisch geworfen hatte. »Der Night Prowler. Die bringen kaum noch etwas anderes in der Zeitung oder im Fernsehen. Wahrscheinlich nichts als Gerüchte, die sich morgen oder nächste Woche als unwahr entpuppen. Wo zum Teufel steckt Walter Cronkite?«
»Irgendwo auf seinem Segelboot, schätze ich. Und da tut er gut daran.«
»Den Journalisten geht es nur um Sensationslust.« Die Zeitung flog wieder auf den Tisch.
»Es geht ihnen nur um Geld.«
»Ja, ist das nicht immer so?« Leon klang nicht unglücklich darüber. »Habt ihr drei Mädels über euer Liebesleben geplaudert?«
»Leon! Natürlich haben wir das.«
»Und was hast du ihnen über mich erzählt?«
»Alles.« Lisa schaffte es, nicht dabei zu lachen.
»Du weißt, was das bedeutet?«
»Dass wir im Restaurant meiner Wahl zu Abend essen?«
»Du hast es erraten«, sagte Leon. Doch er lehnte sich auf dem Sofa zurück und zog seine Slipper aus, indem er nur seine Füße dazu benutzte. Lisa mochte das nicht. Es war nicht gut für die Schuhe. Für einen zumindest. »Lass uns noch einen Drink nehmen, bevor wir gehen.«
»Ich möchte keinen«, sagte Lisa, »aber ich hol dir einen. Im Kühlschrank haben wir noch Martini.«
»Ja«, sagte Leon. »Straight up, bitte.«
Das war’s also, mehr sagt er nicht zu den Rosen. Er hat nicht danach gefragt, also hat er sie wahrscheinlich gekauft und dem Portier heimlich einen Schlüssel für die Wohnung gegeben, damit er sie auf den Tisch stellen konnte. Gut, wenn er nicht darüber reden will, dann will ich es auch nicht. Wir können das Spiel auch ewig weitertreiben. Es gibt schlimmere Arten von Ehemännern als die, die Geschenke herumliegen lassen. Janet und Abby können nur davon träumen. Obwohl Janets Mann auf dem Foto ziemlich gut ausgesehen hat, wie eine Art Kriegsheld oder Pionier. Scheint ein Siegertyp zu sein. Aber der Computerfreak, mit dem Abby zusammenlebt, sieht aus, als hätte er einen Großteil seiner Haare an die Krätze verloren.
Lisa beschloss, mit Leon einen
Weitere Kostenlose Bücher