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Opferschrei

Opferschrei

Titel: Opferschrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lutz
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noch zu überrascht wäre, um seine Richtung zu ändern und um den Tisch herumzugehen. »Was zur Hölle machst du hier?«
    Sein Zögern gab Luther Mut. »Ich wohne hier.«
    Milford schien eher verwirrt als wütend zu sein. »Du tust was ?«
    Luther blickte an ihm vorbei auf Cara, die sich immer noch nicht bewegt oder ihren Gesichtsausdruck verändert hatte. Man konnte ihr ansehen, dass sie nichts lieber wollte, als sich umzudrehen und wegzulaufen, bloß gab es keinen Ort, an dem sie Zuflucht hätte finden können.
    »Ich wohne hier«, wiederholte Luther und fragte sich, woher er den Mut nahm. Liebe. Es muss die Liebe zu Cara sein.
    Milford stemmte die Fäuste in die Hüften. Er trug nur eine Unterhose und man konnte seine Muskeln sehen. Er war dünn, richtig mager, bis auf ein kleines Fettpölsterchen, das über den Gummibund seiner Unterhose hing, aber er wirkte sehnig und kräftig. »Okay, du kleiner Wichser, wenn du hier wohnst, wie kommt es, dass ich dich nie bemerkt habe?«
    »Vielleicht haben Sie nicht richtig hingesehen.«
    »Und vielleicht nutzt du die einzige Chance, die ich dir gebe, bevor ich dich in der Luft zerreiße, bis du aussiehst wie dieser Truthahn hier, und erklärst mir, was hier vor sich geht. Du kannst damit anfangen, mir zu sagen, wie du hier reingekommen bist.«
    »Ich war schon drinnen.« Luther fiel auf, dass sein Puls sich verlangsamt hatte, doch er verspürte immer noch Angst. Aber er hatte die Kontrolle. Erhob Anspruch auf das, was ihm gehörte. Oder was er so sehr wollte, dass es ihm gehören sollte. »Ich komme und gehe durch die Tür, genau wie Sie.«
    »Ohne Schlüssel?«
    »Ich hab einen Schlüssel.«
    Milford richtete seinen Blick an die Decke, als ob dort eine Nachricht geschrieben stünde, dann blickte er wieder hinunter auf Luther. »Du machst das ziemlich beschissen.«
    »Was?«
    »Erklären.«
    Luther blickte Cara an. Ihre Augen waren weit aufgerissen und ungläubig, sie lagen dunkel und tief in ihren Höhlen. Sie hatten beide gewusst, dass dieser Zeitpunkt früher oder später kommen würde, auch wenn sie nie darüber gesprochen hatten. Er musste jetzt stark sein.
    Er wandte sich Milford zu. »Ich bin … Cara und ich lieben uns.«
    In seinen Augenwinkeln sah er, wie Cara sich unter der Macht seiner Worte krümmte, so als ob ihr jemand einen Schlag in den Magen versetzt hätte.
    Milford war vor den Kopf gestoßen. Seine Augen wurden so weit wie Caras, und sein Blick ging zu seiner Frau, dann wieder zurück zu Luther. Ein Klicken war zu hören, dann ein tiefes Brummen. Der Kühlschrank war angesprungen. Sein leiser, gleichmäßiger Ton ließ die Stille nur noch tiefer erscheinen.
    »Ich wohne seit über einem Monat auf dem Dachboden«, sagte Luther. »Cara kümmert sich um mich. Sie liebt mich, nicht Sie.«
    Milford lachte, aber es war ein hässliches Geräusch, mehr wie ein Bellen. »Auf dem Dachboden also?« Er legte beide Hände auf den Tisch und lehnte sich nach vorne. »Hör zu, Luther, du bist ein wirklich dummer Junge. Ich habe dich nach der Wahrheit gefragt, und du tischst mir dieses beschissene Märchen auf, das dir keiner glauben würde. Du hättest dir eine bessere Geschichte zurechtlegen sollen, etwas, was man ernst nehmen kann, weil …«
    »Fragen Sie Cara.«
    »Das muss ich nicht.«
    »Sie wollen nicht.«
    Das ließ Milford innehalten. Er richtete sich gerade auf und blickte hinüber zu Cara.
    Sie senkte ihren Kopf und starrte auf den Boden. »Es ist wahr.«
    Milford schwankte und machte einen Schritt rückwärts. »Was?«
    »Es stimmt, das mit der Affäre.«
    »Du hast mit diesem … diesem Kind gefickt?«
    Sie nickte und traute sich nicht, ihn anzuschauen.
    »Nichts als Lügen«, sagte er leise. »Eine Lüge in jedem deiner Blicke, in jedem deiner Worte …«
    »Ich fürchte, so ist es.«
    »Du verlogene, falsche Schlampe!«
    »Vielleicht bin ich das, Milford. Ja. Ja, das bin ich.«
    Milford brüllte auf und ließ seine Faust auf die Tischplatte krachen. Luther zuckte zusammen. Das Messer rutschte klappernd vom Tisch. »Ihr beide habt einen Monat lang einen Narren aus mir gemacht?«
    »Ich habe nicht gesagt, dass wir einen Narren aus dir gemacht haben.«
    »Dann wollen wir mal sehen, welche Art von Narr du bist«, sagte Milford und starrte Cara an. »Schau mich an, verdammt nochmal!«
    Sie schaffte es irgendwie, ihn mit zitternder Unterlippe anzublicken.
    »Tun Sie ihr nicht weh«, sagte Luther warnend. »Tun Sie ihr bloß nicht weh.«
    Milford ignorierte ihn.

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