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Opferschrei

Opferschrei

Titel: Opferschrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lutz
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Hand an die Stirn, dann ließ sie sie wieder sinken. Ihre Augen blieben geschlossen.
    Die Sands sollten ihren Schlaf haben. Luther würde in seinem geheimen Revier umherstreifen.
    Er verließ das Schlafzimmer und zog die Tür hinter sich zu, lehnte sie aber nur an. Schon nach wenigen Schritten fühlte er sich sicher. Die dicken Wände würden seine Geräusche verschlucken. Ohne darauf zu achten, leise zu sein, ging er die knarzende Treppe ins Erdgeschoss hinunter.
    Das hier war seine Zeit, seine eigene dämmrige Welt, in der er alles haben konnte, was er gerade brauchte – Essen, Trinken, Schutz, Frauen …
    Gerade war er hungrig. Vielleicht wegen des Benzols, das er auf dem Dachboden geschnüffelt hatte; er tat das manchmal, was dazu führte, dass er danach Lust auf Sex hatte und hungrig war. Manchmal hatte es auch Einfluss auf sein Urteilsvermögen, etwas, was er immer erst rückblickend erkannte.
    Luther ging in die Küche, die erhellt war von der Leuchtanzeige am Herd und dem Mondlicht, das durch die Vorhänge hereindrang. Er erinnerte sich an den Duft des Abendessens vor ein paar Stunden, der durch all die Lüftungsrohre und Risse und Hohlräume des alten Hauses bis in seine höchsten Regionen gedrungen war, während Luther auf seinem Feldbett auf dem Dachboden gelegen und gelesen hatte. Die Sands hatten Truthahn gegessen, eines von Milfords Lieblingsgerichten, das Cara regelmäßig zubereitete. Mindestens einmal in der Woche war Thanksgiving. Es war immer etwas übrig, und Cara sorgte dafür, dass genug weißes Fleisch für Luther zurückblieb.
    Er roch noch etwas anderes, als er die Küche betrat. Rosen. In der Mitte des Küchentischs stand eine Glasvase, mit einem halben Dutzend Rosen, die Cara aus dem Garten mitgebracht hatte. Sie liebte Rosen, besonders die gelben. Der Duft von Rosen erinnerte ihn an Cara, und er wusste, dass er es immer tun würde.
    Er öffnete die Tür des Kühlschranks und entdeckte eine große Portion des Vogels auf einer Platte, die mit Alufolie abgedeckt war. Er nahm die Platte heraus und stellte sie auf den Resopaltisch.
    Als er die Folie abgenommen hatte, freute er sich, mehr als die Hälfte eines ansehnlichen Truthahns zu finden, der so lange im Ofen gewesen war, bis er eine perfekte goldene Bräune angenommen hatte. Sogar einer der Schlegel war übrig, aber Luther wusste, dass er nicht riskieren konnte, ihn zu essen. Milford mochte die Schlegel und würde sich fragen, wo er geblieben war. Luther würde sich mit ein paar dicken Scheiben weißen Fleischs für ein Sandwich zufriedengeben, das er mit Milch direkt aus dem Karton hinunterspülen würde. Danach würde er das Messer, das er benutzt hatte, um das Fleisch zu schneiden, abwaschen und zurück in die Schublade legen. Anschließend würde er den Truthahn, die Milch und die anderen Zutaten in den Kühlschrank zurückstellen und dafür sorgen, dass keine verräterischen Krümel liegenblieben, bevor er sich zu seinem Feldbett in seinem Versteck oben zurückschliech.
    Er fand einen halben Laib Brot in der Metalldose mit dem gelben Rosenaufkleber und legte ihn neben den Truthahn und die Milch auf den Tisch. Zurück zum Kühlschrank, um Senf und Essiggurken zu holen. Einer Regung folgend nahm er noch ein Glas Oliven, um sie nebenher zu essen.
    Bevor er sich zu seinem Festmahl niedersetzte, warf er einen Blick auf die Uhr am Herd. Drei Uhr morgens. Die Zeit des tiefsten Schlafes. Das hatte er zumindest in der jüngsten Ausgabe der Psychology Today gelesen.
    Luther hatte nur noch ein paar Bissen seines Sandwichs übrig und überlegte, ob er sich noch ein zweites machen sollte, als er ein Geräusch schräg hinter sich hörte. Er wusste sofort, was es war – jemand hatte scharf Luft eingesogen.
    Er hörte auf zu kauen und drehte langsam seinen Kopf. Er wollte nicht wirklich nachschauen und herausfinden, wer das Geräusch verursacht hatte. Er betete, dass es Cara war, damit sein Herz endlich wieder anfangen konnte zu schlagen.
    Cara! Bitte lass es Cara sein!
    Sein Gebet wurde nur halb erhört.
    Milford stand in der Tür. Hinter ihm stand Cara und lugte hinter seiner Schulter hervor. Milford schien völlig fassungslos zu sein. Cara sah entsetzt aus. Die Zeit stand still. Luther dachte, dass sie alle wie Figuren in einem Gemälde waren, keiner von ihnen bewegte sich.
    Luther wünschte, es könnte für immer ein Gemälde bleiben.
    Milford bewegte sich zuerst. Er taumelte auf Luther zu, nur um gleich wieder stehenzubleiben, als ob er immer

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